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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Kuhn, Alfred: Die Illustration des Rosenromans
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0034
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26

Alfred Kuhn.

«Radix Luxuriae» in einer von 1276 datierten Handschrift (Fig. i3) der Bibliothek Sainte Genevieve 1
entgegen.

Brit. Mus. Stowe Ms. 947 ist der besprochenen Handschrift sehr ähnlich. Dangier ist darin ganz
verschwunden. Er fehlt auch im Münchner Cod. Gall. ig, einer guten Handschrift mit 18 Miniaturen
aus der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts. In Bibl. Nat. fr. 24390 dagegen, die im übrigen eine getreue

Fig. 10. Paris, Bibliothöque Nationale, francais 24391, fol. I.
Erstes Drittel des XIV. Jahrhunderts.

Kopie des Münchener Kodex darstellt, ist Dangier wieder aufgenommen; freilich erklärt man ihn jetzt
anders. Man hat ihn in die andere Miniatur hinübergenommen und ihn als Wächter vor eine einzig für
ihn (in den Münchner Cod. Gall. 19) hineinkonstruierte (!) Gartentür gestellt (Fig. 14). Beide Hand-
schriftengehören in die große Stilgruppe der Bible Hystoriau (Arsen. Ms. 5059), von der Vitzthum2
gesagt hat: «In ihr tritt der spezifisch Pariser Charakter deutlich zutage.» Unsere Handschrift bietet kei-
nen Grund, dieser Ansicht zu widersprechen.

Mazarine 3873, Brüssel kgl. Bibl. 9576 und Bibl. Nat. fr. 802, alle drei um die Mitte des
XIV. Jahrhunderts und auch wohl in Paris entstanden, ziehen die beiden Bilder in eins zusammen, so daß
nun, nach Wegnahme der trennenden Leiste, die Gartenmauer hart an das Fußende des Bettes stößt.
Dangier steht bewachend dazwischen. — Ebenfalls nach Paris gehört eine minderwertige Handschrift

Bibl. Nat. fr. 1575 mit 28 Mi-
niaturen. Dangier hat noch sei-
nen Platz am Fußende des Bettes
inne. Er steht vor dem Tore
eines Turmes, der zu der sich
hinter dem Bette entlangziehen-
den Mauer des Liebesgartens ge-
hört. Im Innern ist Oyseuse zu
bemerken. — Fast die nämliche
Anordnung zeigt die vatikanische
Handschrift Reg. lat. 1522 (Fi-
gur 15). Oyseuse ist weggefallen,
dafür sind jedoch die Laster-
bilder auf der Mauer abgebil-

Fig. 11. Luxuria aus der Westrose von

Notre Dame.
(Nach E. Male, L'art religieux en France.)

det, wie der Text es vorschreibt.
Der Stil ist typisch pariserisch:
Uberaus malerische Behandlung
der grauen Decke auf dem La-
ger des Liebenden und reich on-
dulierender Faltenwurf. Einige
Miniaturen des übrigen Textes
stammen von einem zurück-
gebliebenen Nordfranzosen, der
noch ganz in scharfen Falten-
brüchen und roten Wangen-
flecklein befangen ist. — End-
lich könnte man noch Bibl. Nat.
fr. 38o (Fig. 16), die prachtvolle

1 Melanges scientifiques, philosophiques et poetiques, Ms. 2200, Fol. 166. In dieser Handschrift fand E. Male (L'Art
religieux du XIII Siecle, p. 135) die Richtigkeit der Benennung Luxuria.

2 Die Pariser Miniaturmalerei, S. 1/3.
 
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