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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Kuhn, Alfred: Die Illustration des Rosenromans
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0038
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3o

Alfred Kuhn.

leicht gleichfalls dem Norden entstammt Ars. Ms. 2988 (Fig. 18), eine Handschrift mit 62 Miniaturen aus
der ersten Hälfte des XIV. Jahrhunderts von ganz guter Qualität. Von Bibl. Nat. fr. 19154 läßt sich

dies nicht sagen. Man hat es wohl mit einer schlechten
Pariser Kopie der vorgenannten Handschrift zu tun.
Solche minderwertige Fabriksware der Hauptstadt aus der
Mitte des Jahrhunderts sind auch Berlin Harn. 577 Quart,
Cambridge S. Johns Coli. Ms. G. 5, Bibl. Nat. fr. 1566
von 1351, Oxford Add. I. A 22, Riccardiana 2755, Dra-
guignan Ms. 17, Lyon Bibl. de la Ville Ms. 763. In der
zuletzt genannten Handschrift ist aus unersichtlichen
Gründen vor den schlummernden Liebenden ein Gitter
gemalt. Besser ist die ebenfalls pariserische Handschrift
Bibl. Nat. fr. 1558, die 23 Miniaturen enthält. Zwei das
Lager flankierende Türme stellen das Haus des Lieben-
Fig. 15. Rom, Biblioteca Vaticana, Reg. lat. 1522, den dar. Diese sowohl als auch der Rosenstrauch sind

mehr dekorativ aufgefaßt. Aus Nordfrankreich1 wiederum

Zweite Hallte des XIV. Jahrhunderts. °

scheint Egerton Ms. 881 zu stammen, möglicherweise aus
den Niederlanden. Die autfallenden gelben Beinkleider, die manche Figuren tragen, und die grüngrun-
dierten Buchstaben der Zeilenanfänge können vielleicht als Fingerzeige dienen. Als ikonographische
Bereicherung bringt die Schauseite einen Engel, der aus der Höhe dem Schlafenden die Rose zeigt.

Der ersten Hälfte des XIV. Jahrhun-
derts gehört noch die einzige, in länglichem
Taschenformat bekannte Handschrift an,
nämlich Acq. 153 der Laurenziana in Flo-
renz mit 86 feingezeichneten Miniaturen in
Wasserfarben. Die Lokalisierung macht
Schwierigkeiten. Nach Langlois2 enthält
der Text normannisch-picardische Eigen-
heiten. Schließt man daraus auf jene nord-
französischen Landesteile in der Nähe des
Kanals, die stark unter englischem Einfluß
standen, so scheinen die Miniaturen dies
zu bestätigen, z. B. die einfarbigen (blau,
rostbraun etc.) Hintergründe, die wir schon
wiederholt als Eigentümlichkeit des Nor-
dens erkannt haben, und die Vorliebe für
ein kräftiges Hellgrün an den Gewändern,
neben Blauviolett und mattem Hellbraun,
das in Paris so gut wie nie vorkommt. Da-
gegen ist wiederum die Tatsache nicht zu
Fig. 16. Paris, Bibliotheque Nationale, francais 38o, fol. 1. leugnen,3 daß der Figurenstil sehr an den

Um 1400. dör Hören der Königin Jeanne von Navarra

erinnern, die für Paris in Anspruch ge-
nommen werden.4 — Brüssel Bibl. Roy. 4782, ehemals im Besitz Philipps des Guten von Burgund,5
gehört noch in die erste Hälfte des XIV. Jahrhunderts und mag Pariser Arbeit sein. Dasselbe ist von

1 Dahin weist auch der Dialekt der am Rande noch sichtbaren Anweisungen für den Miniator.

1 Les Manuscrits du Roman de la Rose, 1910, p. 185.

3 Graf Vitzthum brieflich. 4 Haseloff-Michel, p. 357.

5 Doutrepont, Inventairc de la Librairie de Philippe le Bon, No. i32.
 
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