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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Kuhn, Alfred: Die Illustration des Rosenromans
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0041
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Die Illustration des Rosenromans.

33

schwärzliche Vögel sitzen, liegt der Liebende in blaßbraunem Gewände auf grüner Decke unter blaß-
grün und zinnoberrot gestreiftem, weißornamentiertem Zelte. Der Goldgrund ist mit schwarzen Feder-
zeichnungen (Palmetten) bedeckt. Jede Tiefenwirkung fehlt dem Bilde; keine ornamentalen Tendenzen
sind zu bemerken. Da eine sichere kunsthistorische Lokalisierung unmöglich erscheint, so mögen die
Worte des Philologen E. Langlois hier angeführt werden:1 «Ce manuscrit est l'oeuvre d'un copiste de
l'Est et contient de nombreuses particularites dialectales qu'on attribue generalement ä la Lorraine, bien
qu'elles puissent etre de la Bourgogne ou de la Francbe-Comte.» — Chantilly-Ms. gu aus dem XV. Jahr-
hundert ist die andere Handschrift. Ein Zaun
umschließt hier den Liebenden, der auf der

Wiese eingeschlafen ist.

Die bisher besprochenen Hand-
schriftengruppen sind von symboli-
schen Gedanken ausgegangen. Statt Vor-
gänge des Textes den Bildern der Schauseite
zugrunde zu legen, gefällt man sich in ab-
strakten Darstellungen. Gruppe V tut den
entscheidenden Schritt zur Wandlung. Wir
müssen hier nochmals auf Gruppe III zurück-
greifen. Da befand sich links auf dem Bild
das Bett des Liebenden. Hart daran stieß die
Mauer des Liebesgartens. Auf Cambridge
Univ. Bibl. G. g. 4, 6 (Fig. 22), etwa um i33o
entstanden, zieht man in klarer Erkenntnis
der Unsinnigkeit eines solchen Bildes Bett
und Garten auseinander und bringt sie links
und rechts an den Rändern der Miniatur an.
Um sie nun aber in Verbindung zueinander
zu setzen, läßt man den Jüngling sich von sei-
nem Lager erheben, sich die Ärmel zunestelnd
durch die Natur wandeln und endlich erstaunt
vor den Lasterbildern an der Mauer des Gar-
tens Halt machen. Alles, auf einem Bild in
kontinuierender Darstellungsweise erzählt,2
ist treue Illustration des Textes! Man
kann diesen Fortschritt nicht hoch ge-
nug bewerten. Es ist der größte, der in
den anderthalb Jahrhunderten der Ro-
senroman-Illustration überhaupt ge-
macht worden ist. Von hier zu den Pracht-
handschriften des XV. Jahrhunderts ist nur noch ein Schritt, von den Gruppen I, II und III jedoch
trennt uns eine Welt.

Wollte man nach Zwischengliedern suchen, so könnte man vielleicht an Handschriften in der Art
von Lyon, Palais des Arts, Ms. 23 oder Brit. Mus. Add. Ms. 31840 denken, beide vielleicht aus Paris
stammend und etwa aus der Mitte des XIV. Jahrhunderts. Dargestellt ist links in seinem Bette der
Liebende — in Lyon steht Dangier zu dessen Füßen — und rechts der Liebesgarten, vor dem der Jüng-

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Fig. 20. Rom, Biblioteca Vaticana, Reg. 1858, fol. 29.
1371.

1 Les Manuscrits du Roman de la Rose, p. 35.

2 Wickhoff, Die Wiener Genesis. Beilage zum XV. und XVI. Bande des Jahrbuchs der kunsthistorischen Samm-
lungen des Allerhöchsten Kaiserhauses 1895, S. 7 ff.

XXX].
 
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