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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Kuhn, Alfred: Die Illustration des Rosenromans
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0044
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36-

Alfred Kuhn.

ling sich befindet, die Hände erstaunt erhoben. In Lyon trennt und verbindet die beiden Seiten ein Turm
mit hohem Tor.

Die wichtige Frage ist nun die der Lokalisierung unserer Cambridger Handschrift. Hierauf gibt
die spitztürmige, hochstrebende goldene Architektur mit den eigentümlichen parallelen Fialen auf den
Bogen über dem Lager des Jünglings eine ziemlich eindeutige Antwort: Nordostfrankreich! Der
scharfe Zeichenstil der Figuren widerspricht dem nicht. Bibl. Nat. fr. 2438g (Fig. 23), bedeutend minder-
wertiger, ist in direkter Anlehnung an diese Handschrift entstanden. Das beweist die Stellung der Fi-
guren auf dem Bilde, die ebenso wie auf der Cambridger Handschrift Stehfiguren statt Schreitfiguren
sind, und die Art, wie die Blüten auf der Fläche zwischen Haus und Garten, welche die Natur dar-

Fig. 23. Paris, Bibliotheque Nationale, franijais 24389, fol. I.
Ende des ersten Drittels des XIV. Jahrhunderts.

stellen sollen, mißverstanden wurden. Mißverstanden ist der Liebesgarten, der, obwohl rund, in der ab-
gekürzten Form von Gruppe III, dennoch die Lasterbilder in der Art von Cambridge G. g. 46 tragen
soll. Mißverstanden ist endlich auch die Konstruktion des Hauses. Das Dach fehlt und auch die cha-
rakteristische Architektur; dennoch sind die zwei spitzen Strebepfeiler mit dem Giebel übernommen.
Wirft man noch einen Blick auf die Umrahmung des Blattes, so bemerkt man das Fehlen alles Scharf-
kantigen, Zackigen, Exakten, was Cambridge G. g. 4, 6 auszeichnete. Nachlässig läuft eine Leiste, von
der Initiale ausgehend, um die zwei Seiten des Blattes. Alles typisch Nordfranzösische blieb weg. Nur
das Thema wurde übernommen, und nicht einmal dieses ist geschickt bewältigt. Ein Schulbeispiel einer
Pariser Werkstattkopie!

Einen Schritt nach vorwärts tut Bibl. Nat. fr. 19195 (Fig. 24). Die Figuren beginnen sich jetzt
wirklich von links nach rechts zu bewegen. Sonst ist alles übernommen, sogar die Farben der Kleider des
Cambridger Exemplars. Das Dach ist gedeckt, jedoch ohne irgendwelche charakteristische Architektur-
formen. Nur die beiden schlanken Türpfosten sind noch übrig. Die Umrahmung steht der der Cam-
bridger Handschrift nahe. Die Figuren sind von bemerkenswerter Güte, sogar besser als die der eben
 
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