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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Kuhn, Alfred: Die Illustration des Rosenromans
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0058
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Alfred Kuhn.

mal als für das Atelier des Haincelin von Hagenau charakteristisch. Das Brüsseler Exemplar erweitert
die Darstellung des Spazierganges um eine Phase in kontinuierender Weise.

Zum Schlüsse sind noch einige Handschriften aufzuführen, welche die Figur des «Dichters am
Pult» im Sinne der Antike dem Texte voranstellen. Bibl. Nat. fr. 1569, eine Pariser Handschrift vom

Anfange des XIV. Jahrhunderts, gibt
links den Autor, vor seiner Hörerschaft
sitzend, rechts auf besonderer Miniatur
den Liebenden im Schlafe, bewacht von
Dangier. Die ebenfalls Pariser Hand-
schrift Sidney Cockerells in Cambridge,
die der zweiten Hälfte des XIV. Jahr-
hunderts entstammt, vereinigt den schla-
fenden Jüngling1 und den Schreiber auf
einem Bilde. Bibl. Nat. fr. 1563, schon
dem XV. Jahrhundert angehörend, stellt
das Nämliche dar. Ms. Douce 195
(Taf. XV) aus der zweiten Hälfte des
XV. Jahrhunderts, ein schönes Stück,
Fig. 32. Vilainerie: Paris, Bibliothequc Nationale, francais 12588, fol. 2. anscheinend niederländischer Arbeit,

gewährt Einblick in zwei Zimmer eines
Hauses. Im linken sehen wir den Autor mit Schreiben beschäftigt, während zwei Männer zum Fenster
hereinsehen, und im rechten auf seinem grünüberzogenen Lager zum Schlafe ausgestreckt. Die rechte
Hand hält eine Papierrolle. Auf dem Boden im Vordergrund steht ein weißes Hündchen. Breitblättrige

Pflanzen, untermischt mit Menschen- und Tierfiguren, etwas
schwerfällig in der Ausführung, umgeben die Seite.

Wenn bei vorstehendem Versuche, die Entwicklung
der Handschriften des Rosenromanes darzustellen, nur die
ersten Textseiten, die «Schauseiten», wie wir sie nannten,
behandelt worden sind, so lag der Grund dazu in der eigen-
artigen Tatsache, daß nämlich diese zumeist von einem be-
sonderen Meister gefertigt zu sein scheinen, der ein zweites
Mal kaum mehr die Hand an die Handschrift gelegt hat.
Durchschnittlich ist er den Exekutoren des Restes bedeutend
Fig. 33. Villonie: Paris, Bibliotheque Nationale, überlegen.2 So besteht also meist eine auffallende Diskrepanz
francais 1565, fol. 2 v°. zwischen der Schauseite und den übrigen Miniaturen. Diese

wiederum lassen sich nicht lageweise unter verschiedene Mi-
niaturisten aufteilen. Völlige Regellosigkeit herrscht hier, so daß eine Handschrift nicht selten die ver-
schiedensten lokalen Stile und die verschiedensten künstlerischen Potenzen in buntestem Wechsel uns
vorführt.3

Die Vorbilder.

Bei der Behandlung der Schau Seiten hat uns die Suche nach deren Grundlagen ein
eigenartiges Resultat geboten. Es hat sich gezeigt, daß man bei einem neu zu schaffen-

' Die Krone vielleicht nicht ursprünglich.

2 Vgl. z. B. Bibl. Nat. fr. 805, 24392; Haag, Meerm. Westr., Chantilly Mss. 1480, 665. Daß aber auch das Umge-
kehrte eintrat, zeigte schon Bibl. Nat. fr. 24392. Auch Arras Ms. 897 ist dafür ein Beispiel.

3 Tournai, C I, Brüssel 9576, Brit. Mus. Royal Ms. 20 A. XVII.
 
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