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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Aus der Bildnerwerkstatt der Renaissance: Fragmente zur Geschichte der Renaissanceplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0105
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Aus der Bildnerwerkstatt der Renaissance.

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Schon in den altern Auflagen von Burckhardts Cicerone hat nun Bode ein Relief, das sich ehedem
im Magazin des Dogenpalastes befand und jetzt im Museo archeologico zu sehen ist, als Arbeit des An-
tonio Lombardo erkannt; ein sehr glücklicher und für uns wichtiger Fund (Tafel XX, i).

Es handelt sich abermals um ein Relief in weißem, zartem Marmor, dessen Maße (45 x32 cm) sich
von denen der früheren Stücke nicht weit entfernen. Auch das Sujet ist verwandt; es ist wiederum eine
Heldin der alten Geschichte, die hier erscheint: die Portia Catonis, die treue Gattin des Brutus, im
Moment, wie sie dem Feuerbecken die glühenden Kohlen entnimmt, um sie zu verschlucken. Das an

Fig. 20. Antonio Lombardo, Athene und Poseidon.
St. Petersburg, Stieglitz-Museum.

der Basis angebrachte Distichon erläutert den aus Valerius Maximus' Anekdotensammlung bekannten
Vorgang:

PORTIA • SVM • BRVTI • CONIVX • ET ■ NATA • CATONIS
OVAM ■ DEDIT • OPTATAE ■ FLAMMEA • PRVNI • NECI

Die Behandlung der Formen zeigt, daß es sich um denselben Künstler handelt, von dem das Re-
lief der Sammlung Oppenheim herrührt und auf den auch das bisher nicht aufzutreibende Original
des Eurydikereliefs zurückgehen muß. Die hier noch mehr betonten reifen Formen des schweren, an
Palma Vecchio erinnernden Frauenkörpers, die Haarbehandlung, die fast identische Bewegung des
Hauptes mit dem stark pathetischen Ausdruck in dem himmelwärts gerichteten Blick und dem halbge-
öffneten Mund, die Bildung der Hände, vollends die Art, wie die Einzelfigur in den Raum komponiert
ist, alles das zeigt genaue Übereinstimmung. Bei dem Tronco, auf den sich die Figur in eigentümlich
 
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