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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Aus der Bildnerwerkstatt der Renaissance: Fragmente zur Geschichte der Renaissanceplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0110
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IOO

Julius von Schlosser.

zu einer Zeit, wo Studienreisen der Künstler über die Alpen noch keineswegs zu einem obligatori-
schen Bestandteil ihrer Ausbildung geworden waren. Die Geschichte der oberdeutschen, namentlich der
nürnbergischen Künstler von Dürer an zeigt auf jeder Seite, woher sie sich ihre Inspirationen, gerade wie
in dem vorliegenden Falle auch, geholt haben, aus dem ihnen räumlich am nächsten liegenden Gebiet,
wohin auch die stärksten kommerziellen und kulturellen Verbindungen führten, aus Oberitalien, vor
allem aus Venedig, in zweiter Linie aus Mailand.

Fig. 25. Francesco Fiammingo, Schlafendes Kind.
Florenz, Casa Buonarroti.

IV.

Zur Rolle des Kleinmodells im Studio des Künstlers

und des Amateurs.

Paradigmata. 1. In dem kleinen Hofe der Casa Buonarroti in Florenz, die Pietro da Cortona
für Michelangelos Neffen Lionardo erbaut hat, findet sich neben dem Treppenaufgang eine Tafel, in der
allerhand antike Fragmente kleinen Formats eingelassen sind. Darunter ist auch das bisher ganz unbe-
achtet gebliebene Tonmodell eines schlafenden Kindes, in köstlich naturwahrer Pose, die runden Glieder
ganz im Schlafe gelöst, wohlig wie ein junges Tier in die Kissen hineingewühlt (Fig. 25). Daß es kein
Werk antiker Kunst ist, leuchtet auf den ersten Blick ein; es ist die Schöpfung eines viel späteren
Künstlers, dessen Kinderfiguren die Bewunderung seiner Zeitgenossen und noch Späterer im höchsten
Grade erregt haben, dem sein Landsmann RubensWorte schmeichelhaftesten Lobes sandte, desFrancois
Duquesnoy (1594—1644), den die Italiener in ihrer Art kurzweg il Fiammingo nannten, als er ganz einer
der Ihrigen geworden war. Es ist auch, wie ich mit Bestimmtheit sagen möchte, ein Originalmodell des
Meisters selbst. Seine Herkunft lehrt ein Vergleich mit den in vielen alten Sammlungen noch bewahrten
Bronzegüssen solcher Puttini, von denen das Wiener Hofmuseum eine ganze Anzahl, 9 Stück (darunter
jedoch Wiederholungen der gleichen Motive) besitzt, die zum Teil aus der alten Ambraser Sammlung
herstammen (Fig. 26); auch der Louvre besitzt ihrer mehrere. Von ihrer der hohen Schätzung der Zeit-
 
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