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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Aus der Bildnerwerkstatt der Renaissance: Fragmente zur Geschichte der Renaissanceplastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0117
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Aus der Bildnerwerkstatt der Renaissance.

South Kensington Museum identifiziert) befand; die drei übrigen sind jetzt im Museo Nazionale von
Florenz. Von Bronzegüssen des Pietro Tacca meldet Baldinucci.10

Die Sammlungen bewahren heute noch häufig Proben solcher Reduktionen. Eine vollständige
Serie ist im Louvre (Migeon, Bronzenkatalog, Nr. 134—137); eine freilich recht mäßige Bronze der
Aurora ist im Wiener Hofmuseum (Fig. 3i), wo sich ferner eine auch anderwärts vorkommende Kopie
des trunkenen Bacchus befindet. Charakteristisch für die Rolle, die diese Kleinmodelle als «simile> zu
spielen haben, ist die Travestie der Aurora in eine Kleopatra im städtischen Museum von Grenoble.
Eine Reihe anderer Stücke dieser Art, Nachbildungen in allem möglichen Material: Ton, Bronze, selbst
Elfenbein (wie denn das Wiener Museum u. a. eine
schöne Kopie des Christus in S. Maria sopra Minerva
in letzterem Material besitzt), verzeichnet Thode, Michel-
angelo, Kritische Beiträge II, 297 fr.

Einen artigen Einblick in die Art, wie dergleichen
Modelle nach Michelangelo für das Studium nutzbar
gemacht wurden, erhalten wir durch die Beschreibun-
gen, die verschiedene alte Schriftsteller von Tinto-
rettos Atelier entwerfen; es befand sich in dem Hause
an den Fondamenta dei mori, das bis in neuere Zeit
im Besitze der Nachkommen des großen Malers verblie-
ben ist (Tassini, Curiositä Veneziane 483) und noch
jetzt seine Erinnerungen zur Schau trägt. Das Atelier
selbst war zur Zeit, da Boschini seine sonderbare Carta
de! navegar pitoresco (1660) schrieb, noch in der alten
Ausstattung erhalten.11 Schon ein Zeitgenosse wie der
Toskaner Raffaello Borghini in seinem Riposo (1584)12
— der daraus für seine Heimatkunst weidlich Kapital
schlägt —, dann der spätere Ridolfi (1648) 13 berichten,
daß es neben Abgüssen berühmter Antiken, wie des
Laokoon, namentlich eine Reihe von Modellen des ein-
flußreichsten und in seiner wahren Bedeutung für die
Stilgeschichte noch lange nicht genügend gewürdigten
Plastikers dieser Zeit, des Giambologna, besonders aber
die langberühmten und weitverbreiteten Reduktionen
nach den Tageszeiten Michelangelos enthielt, die von

Daniele da Volterra herrührten und schon von dem

Fig. jj. Michelangelo, Tonmodell.

mit diesem Künstler befreundeten Vasari erwähnt wer-

Florenz, Casa BUonarroti.

den.14

Die Spuren von solchem Studium Tintorettos scheinen sich tatsächlich noch nachweisen zu lassen,
freilich in einem heute untergegangenen Werk, den Fresken am Palazzo Gussoni (später Lazari) in
Venedig, die Ridolfi (II, 34) als ein Jugendwerk des Malers erwähnt. Von den letzten zu seiner Zeit
noch erhaltenen Resten dieser Dekoration hat der um die Kunstgeschichte seiner Vaterstadt vielverdiente
Conte Anton Maria Zanetti noch Kopien abgenommen und sie in seinem Stichwerk: Varie pitture a
fresco de' principali maestri Veneziani (Ven. 1760, T. 8 u. 9) publiziert (Fig. 32).

Die Notizen, die er dazu im Texte gibt, sind interessant genug, um hier mitgeteilt zu werden. Er
sagt, daß er sich zur Herstellung der Kopien nach den arg zerstörten Originalen einer Zeichnung Tinto-
rettos selbst bedienen könne, die ihm der Zufall in die Hände gespielt habe; ferner, daß zu seiner Zeit
noch Modelle im Umlauf waren, die der Tradition nach aus Tintorettos Atelier stammten und gleich-
mäßig durch ihre verräucherte Oberfläche kenntlich waren; ebenso eine Reihe von Studien in schwarzer

Kreide und gessetto, weiß gehöht, die nach dergleichen Hilfsmodellen angefertigt waren. Daß eine alte

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