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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Fröhlich-Bum, Lili: Andrea Meldolla, genannt Schiavone
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0158
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Lili Fröhlich-Bum.

Nachweise hierüber fehlen. Als Ridolfi sein Material sammelte, wußte man nicht mehr viel über Schia-
vone. Es waren mehr als 80 Jahre seit seinem Tod vergangen und der Ruhm des Tizian, Paolo Veronese
und Tintoretto hat natürlich sein Bild rasch verdunkelt. Des Schiavone Schicksal so traurig wie mög-
lich zu schildern, war vielleicht ein literarischer Gedanke des Ridolfi, der sich an eine unverbürgte
Tradition anschloß. War Tizian von aller Welt geehrt und geschätzt worden, führte er das Leben eines
großen Herrn, so mochte es Ridolfi passend erscheinen, als Kontrastfigur einen anderen Künstler als

sein ganzes Leben hindurch ver-
kannt und vom Unglück verfolgt
hinzustellen. Ob Tintorettos Aus-
spruch erfunden war oder auf eine
Tradition zurückgeht, ist ziemlich
gleichgültig. Daß Schiavone ein ge-
schätzter Künstler war, ist sicher.
Die Mitarbeit in der Libreria von
S. Marco und seine Stellung im
Prozeß der Zuccati beweisen dies
für die letzten Jahre seines Lebens.
Daß er auch schon früher Aufträge
hatte, beweist Vasaris Bericht. Als
er Schiavone den erwähnten Auf-
trag gab, hatte er offenbar schon
beachtenswerte Dinge von ihm ge-
sehen, vielleicht die Bilder, die er
beschreibt.1

Vasaris zweiter Aufenthalt in
Venedig dauerte nur wenige Tage
und es gab da viel für ihn zu tun.2
Die Zuschreibungen Ridolfis,
dessen Unverläßlichkeit als Quelle
schon aus der Hinaufrückung des
Todesdatums um 20 Jahre erhellt,
lassen sich nur zum geringsten Teil
nachprüfen. Von vornherein ist
es unwahrscheinlich, daß Schiavone
alle ihm von Ridolfi zugeschriebe-
nen großen Bilder in den wenigen
Jahren zwischen 1556 und 1563
gemalt haben sollte. Die stilkri-
tische Analyse, die im Zusammen-
hange des gesamten gemalten Werkes Schiavones erfolgen wird, führt zu demselben Ergebnis.

Dem Interesse des XVIII. Jahrhunderts für den Kupferstich dankt es Schiavone, daß man sich
neuerlich mit ihm beschäftigte. Mariette3 bespricht als erster die Radierungen des «Meldolla», erwähnt
das Blatt mit dem «Raub der Helena», das 1547 datiert ist und als dessen Erfinder Meldolla sich selbst
nennt. Dieser habe nach Raphael, Parmegianino und anderen gearbeitet. Uber die Technik Meldollas
sagt Mariette, daß er «apres avoir grave ses planches ä l'eau forte» sie noch mit Grabstichel und

Fig. i3. Schiavone, Predigt des Paulus (B M 22).

1 Daß dies auch aus stilkritischen Gründen anzunehmen ist, wird später zu erörtern sein.
3 Kailab a. a. O., S. 125.

3 Abecedario Pittorico, 1719 erschienen; Neudruck des Archive de l'art francais 1854—1856 (mit den handschriftlichen
Bemerkungen Mariettes), p. 310.
 
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