I52 Lili Fröhlich-Bum.
nicht anders sind die ersten Radierungsversuche in Italien zu verstehen. Blätter von jener spezifischen
Wirkung, wie sie spätere Künstler radierten, sind da noch nicht vorhanden.
Es ist bekannt und wurde nie bestritten, daß Parmegianino radiert hat, und er gilt allgemein als
der erste, der dieses in Deutschland entstandene Verfahren in Italien angewendet hat. Seine Typen, seine
Art der Radierung findet sich noch bei einer Anzahl anderer Künstler; ich nenne nur den Meister der
mit F. P. gezeichneten Blätter, Andrea Meldolla und Torbido del Moro.
Bartsch hat (im Anschluß an Zani) die Radierungen, die unter Parmegianinos Namen gingen, ge-
sondert und verschiedenen Meistern zugeteilt. Es sind nur 15 Blätter, die er dem Parmegianino läßt.
Diese 15 Nummern zeigen ganz
den gleichen Charakter, sie sind
unverkennbar von der Hand des
Parmegianino.
Parmegianinos Radierungen
sind Zeichnungen, meist kleine
Blätter, vielleicht als Skizzen oder
als Vorlagen für Schüler gedacht
und zum Verkaufe bestimmt; darin
berühren sie sich wieder mit den
Stichen, die aus Raphaels Schule
nach den Zeichnungen des Meisters
hervorgingen. Parmegianino zeich-
net mit gleichmäßigen Strichen
der Nadel, schattiert mit Parallel-
und Kreuzlagen; der Gesamtton
der Blätter ist ein gleichmäßiger
wie bei einer Zeichnung, die mit
Metallstift oderFeder ausgeführt ist
Drei Blätter charakterisieren
gut den Stil seiner Radierungen
und zeigen seine geläufigsten Ty-
pen. Die «Grablegung Christi»
(B P 5)1 (Fig. 1) bringt eine be-
zeichnende Komposition: Quer
vorne der tote Christus, vor ihm
eine große aufrechte Männergestalt,
Fig. 19. Schiavone, Anbetung der Könige. die alle anderen Figuren des Blattes
Wien, Albertina. überragt; doch ist die Raumvertie-
fung zwischen ihr und den Frauen-
köpfen nicht deutlich geworden. Der Mann steht mit leicht gebogenen Knien da, sein rechter Fuß be-
rührt nur mit den Zehen den Boden. Zu beachten sind der Faltenwurf des Gewandes, weiche runde
Falten, die weiß gelassen wurden, während die Zwischenräume mit feinen Parallel- und Querlagen
ausgefüllt sind, der längliche Kopf mit den etwas abstehenden, lockeren Haarbüscheln, die schlanken
Gliedmaßen, die sich aber nach den Ellbogen, respektive den Knien zu unverhältnismäßig verstärken.
Die Gruppe der Frauen rechts hat die für Parmegianino charakteristischen Gesichter auf biegsamen
Hälsen, wie sie uns von seinen Bildern her geläufig sind. Ich weise ferner auf die Gruppe der Männer-
1 Der Kürze halber bezeichne ich die Radierungen im Folgenden immer nach der Nummer von Bartsch' Katalog, und
zwar so, daß z. B. B P I = Nr. I von Bartsch' Katalog des Parmegianino, B M I = Nr. 1 von Bartsch' Katalog des «Meldolla»,
B S 1 = Nr. I von Bartsch' Katalog des «Schiavone.»
nicht anders sind die ersten Radierungsversuche in Italien zu verstehen. Blätter von jener spezifischen
Wirkung, wie sie spätere Künstler radierten, sind da noch nicht vorhanden.
Es ist bekannt und wurde nie bestritten, daß Parmegianino radiert hat, und er gilt allgemein als
der erste, der dieses in Deutschland entstandene Verfahren in Italien angewendet hat. Seine Typen, seine
Art der Radierung findet sich noch bei einer Anzahl anderer Künstler; ich nenne nur den Meister der
mit F. P. gezeichneten Blätter, Andrea Meldolla und Torbido del Moro.
Bartsch hat (im Anschluß an Zani) die Radierungen, die unter Parmegianinos Namen gingen, ge-
sondert und verschiedenen Meistern zugeteilt. Es sind nur 15 Blätter, die er dem Parmegianino läßt.
Diese 15 Nummern zeigen ganz
den gleichen Charakter, sie sind
unverkennbar von der Hand des
Parmegianino.
Parmegianinos Radierungen
sind Zeichnungen, meist kleine
Blätter, vielleicht als Skizzen oder
als Vorlagen für Schüler gedacht
und zum Verkaufe bestimmt; darin
berühren sie sich wieder mit den
Stichen, die aus Raphaels Schule
nach den Zeichnungen des Meisters
hervorgingen. Parmegianino zeich-
net mit gleichmäßigen Strichen
der Nadel, schattiert mit Parallel-
und Kreuzlagen; der Gesamtton
der Blätter ist ein gleichmäßiger
wie bei einer Zeichnung, die mit
Metallstift oderFeder ausgeführt ist
Drei Blätter charakterisieren
gut den Stil seiner Radierungen
und zeigen seine geläufigsten Ty-
pen. Die «Grablegung Christi»
(B P 5)1 (Fig. 1) bringt eine be-
zeichnende Komposition: Quer
vorne der tote Christus, vor ihm
eine große aufrechte Männergestalt,
Fig. 19. Schiavone, Anbetung der Könige. die alle anderen Figuren des Blattes
Wien, Albertina. überragt; doch ist die Raumvertie-
fung zwischen ihr und den Frauen-
köpfen nicht deutlich geworden. Der Mann steht mit leicht gebogenen Knien da, sein rechter Fuß be-
rührt nur mit den Zehen den Boden. Zu beachten sind der Faltenwurf des Gewandes, weiche runde
Falten, die weiß gelassen wurden, während die Zwischenräume mit feinen Parallel- und Querlagen
ausgefüllt sind, der längliche Kopf mit den etwas abstehenden, lockeren Haarbüscheln, die schlanken
Gliedmaßen, die sich aber nach den Ellbogen, respektive den Knien zu unverhältnismäßig verstärken.
Die Gruppe der Frauen rechts hat die für Parmegianino charakteristischen Gesichter auf biegsamen
Hälsen, wie sie uns von seinen Bildern her geläufig sind. Ich weise ferner auf die Gruppe der Männer-
1 Der Kürze halber bezeichne ich die Radierungen im Folgenden immer nach der Nummer von Bartsch' Katalog, und
zwar so, daß z. B. B P I = Nr. I von Bartsch' Katalog des Parmegianino, B M I = Nr. 1 von Bartsch' Katalog des «Meldolla»,
B S 1 = Nr. I von Bartsch' Katalog des «Schiavone.»