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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Fröhlich-Bum, Lili: Andrea Meldolla, genannt Schiavone
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0170
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Lili Fröhlich-Bum.

Anna, die aus dem Hintergrund hervorschaut; mit dem schleierartig abgebundenen Kopftuch kehrt sie
bis in Schiavones späteste Zeit als Nebenfigur immer wieder. Johannes der Evangelist ist als ziemlich
weibischer Jüngling gebildet; seine Nase ist etwas breit, ihre untere Kante gerade und scharf abgesetzt.
Auch die Formen und die lebhafte Bewegung des Kindes sind Einzelheiten, die für Schiavone immer

bezeichnend bleiben.

Um die Veränderungen, die
der Stil Parmegianinos unter Schia-
vones Händen erlitt, ganz klarzu-
legen, empfiehlt es sich, die beiden
Blätter, die variierte Wiederholun-
gen des Schülers nach dem Lehrer
sind, mit den Vorbildern zu ver-
gleichen. B M ig (Fig. 2) ist nach
Parmegianinos besprochener Grab-
legung (Fig. 1) im Gegensinne ra-
diert; beibehalten sind der Mann,
der am Rande des Blattes aufrecht
steht, die Dornenkrone in der aus-
gestreckten Hand; seine Stellung
gegenüber dem Leichnam hat Schia-
vone jedoch verändert; sie ist steif
geworden, das unter dem Gewand
angedeutete Bein ist wie aus Holz
gebildet, die Arme sind plumper,
die Falten roher und flüchtiger be-
handelt. Gleich blieben sich An-
ordnung und technische Behand-
lung von Bart und Haar, das in der
für Parmegianino charakteristischen
Weise nach vorne absteht. Auch
die Stellung Christi ist nicht genau
beibehalten; sein Kopf ist kaum zu
sehen, da er abgewandt und in Dun-
kel gehüllt ist, gleichfalls ein für
Schiavone charakteristisches Detail;
der Körper ist schwächer, mit grö-
beren Strichlagen modelliert; die Schultern sind eckig. Zu beachten ist weiter die steife Haltung der
Arme der ohnmächtigen Maria. Eine Figur links rückwärts ist sehr ähnlich dem Johannes auf B M 59
(Fig. 11). Völlig verändert dagegen ist die Anordnung der den Hintergrund füllenden Köpfe, die nicht
nur diesem sondern auch anderen Blättern Parmegianinos entnommen sind. Einen auffallenden Unter-
schied bildet ferner die Betonung von Schatten und Licht und die stärkere Vertiefung, die Schiavone
dadurch erreicht.

Zu der Judith des Parmegianino (Fig. 3) findet sich unter den dem Oeuvre des «Meldolla» in der
Albertina hinzugefügten Radierungen eine Variante (Fig. 4). Sie zeigt wieder ganz deutlich die Ver-
änderungen, die Schiavone an Parmegianinos Stil vorgenommen hat: die steifere, eckige Haltung der
Judith, das vergröberte Handgelenk, das starke Vorsetzen des rechten Knies (die Uberlänge der Beine ist
noch auffallender als auf dem vorbildlichen Blatt), das Anbringen des kreisförmigen Faltenbausches um
den Kopf der Judith, die Vereinfachung der Falten und die Übertreibung im Betonen der durch die Ge-
wandung durchscheinenden Körperformen.

Fig. 29. Schiavone, Christus heilt die Kranken (B M 15).
 
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