Andrea Meldolla, genannt Schiavone.
I65
F. Herbet1 hat in den «Graveurs de l'ecole de Fontainebleau» auf den Zusammenhang zwischen
den Werken dieser Schule und den Radierungen Schiavones hingewiesen. Die Verwendung des Roll-
werkes ist in der Tat eine ähnliche. Das Blatt B S 3i erscheint unzweifelhaft als Kopie eines anonymen
Blattes der Schule von Fontainebleau (Bartsch, «Anonymes» Nr. 128, XVI. Bd.). Das Rollwerk ist bis
auf nachstehende Änderungen Schiavones von diesem getreulich kopiert. Verändert hat Schiavone die
beiden unteren Eckfelder; er stellte dort zwei Trophäen (Panzer, Schild und Schwert) einander symme-
trisch gegenüber, während die Ra-
dierung von Fontainebleau links
ein stilisiertes Rieseninsekt, rechts
gekreuzte Fackelbündel zeigt. Über-
dies hat Schiavone in das auf dem
anonvmen Stich leergelassene Mit-
teloval eine Frauenbüste gestellt.
Ein ähnliches Verhältnis linden
wir bei den Blättern B S 15 und
Fantuzzis Blatt (Bartsch) Nr. 37.
Die geringen Unterschiede beste-
hen hier darin, dal3 Schiavone den
Rahmen verzierte, während Fan-
tuzzi seinen Rahmen leer ließ, und
daß Schiavone über dem Schild,
der die Mitte unten einnimmt,
einen Löwenkopf einfügte.2
Bei Betrachtung von Schia-
vones gesicherten Radierungen
lernten wir eine so große Anzahl
charakteristischer Eigentümlich-
keiten kennen, daß wir eine be-
stimmte Vorstellung seines Stiles
bekommen. Wir werden dieselben
formalen Kriterien bei Betrach-
tung der Bilder Schiavones suchen
müssen, von denen uns keines
durch eine Signatur und nur we-
nige schlecht erhaltene durch Li-
teraturangaben beglaubigt sind. Im
folgenden soll nun der Versuch ge-
macht werden, in dem radierten
Oeuvre Schiavones auf Grund der
Fortschritte in der Zeichnung und
Komposition, in der Behandlung von Licht und Schatten und der parallel damit sich steigernden Be-
herrschung der technischen Ausdrucksmittel eine Entwicklung aufzuzeigen. Im Zusammenhang damit
werden Handzeichnungen Schiavones besprochen werden, da sich bei ihnen stärkere Beziehungen zu
den Radierungen als zu den Bildern finden ließen.
Fig. 38. Schiavone, Kindermord in Betlehem.
Wien, Albertina.
1 Annales du Gatinais 1896, p. 257.
- Ich hoffe der Frage des Austausches der Künstlerwerte zwischen Fontainebleau und den oberitalicnischen Künstlern
in anderem Zusammenhang nachgehen zu können. Wenn Dimier («Le Primatice», p. 13g) sagt, daß Schiavone eine Folge
von Stichen des Fantuzzi nach den Stukkaturen des Rosso kopierte und so die Übertragung nach Venedig anbahnte, ja selbst
«la ressemblance frappante de la cheminee de Scamozzi au Palais Ducal avec les ornements de Fontainebleau:» daraus ableitet,
so sind dies kühne Schlüsse, die nach dem heutigen Stande der Forschung weder widerlegt noch bewiesen werden können.
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F. Herbet1 hat in den «Graveurs de l'ecole de Fontainebleau» auf den Zusammenhang zwischen
den Werken dieser Schule und den Radierungen Schiavones hingewiesen. Die Verwendung des Roll-
werkes ist in der Tat eine ähnliche. Das Blatt B S 3i erscheint unzweifelhaft als Kopie eines anonymen
Blattes der Schule von Fontainebleau (Bartsch, «Anonymes» Nr. 128, XVI. Bd.). Das Rollwerk ist bis
auf nachstehende Änderungen Schiavones von diesem getreulich kopiert. Verändert hat Schiavone die
beiden unteren Eckfelder; er stellte dort zwei Trophäen (Panzer, Schild und Schwert) einander symme-
trisch gegenüber, während die Ra-
dierung von Fontainebleau links
ein stilisiertes Rieseninsekt, rechts
gekreuzte Fackelbündel zeigt. Über-
dies hat Schiavone in das auf dem
anonvmen Stich leergelassene Mit-
teloval eine Frauenbüste gestellt.
Ein ähnliches Verhältnis linden
wir bei den Blättern B S 15 und
Fantuzzis Blatt (Bartsch) Nr. 37.
Die geringen Unterschiede beste-
hen hier darin, dal3 Schiavone den
Rahmen verzierte, während Fan-
tuzzi seinen Rahmen leer ließ, und
daß Schiavone über dem Schild,
der die Mitte unten einnimmt,
einen Löwenkopf einfügte.2
Bei Betrachtung von Schia-
vones gesicherten Radierungen
lernten wir eine so große Anzahl
charakteristischer Eigentümlich-
keiten kennen, daß wir eine be-
stimmte Vorstellung seines Stiles
bekommen. Wir werden dieselben
formalen Kriterien bei Betrach-
tung der Bilder Schiavones suchen
müssen, von denen uns keines
durch eine Signatur und nur we-
nige schlecht erhaltene durch Li-
teraturangaben beglaubigt sind. Im
folgenden soll nun der Versuch ge-
macht werden, in dem radierten
Oeuvre Schiavones auf Grund der
Fortschritte in der Zeichnung und
Komposition, in der Behandlung von Licht und Schatten und der parallel damit sich steigernden Be-
herrschung der technischen Ausdrucksmittel eine Entwicklung aufzuzeigen. Im Zusammenhang damit
werden Handzeichnungen Schiavones besprochen werden, da sich bei ihnen stärkere Beziehungen zu
den Radierungen als zu den Bildern finden ließen.
Fig. 38. Schiavone, Kindermord in Betlehem.
Wien, Albertina.
1 Annales du Gatinais 1896, p. 257.
- Ich hoffe der Frage des Austausches der Künstlerwerte zwischen Fontainebleau und den oberitalicnischen Künstlern
in anderem Zusammenhang nachgehen zu können. Wenn Dimier («Le Primatice», p. 13g) sagt, daß Schiavone eine Folge
von Stichen des Fantuzzi nach den Stukkaturen des Rosso kopierte und so die Übertragung nach Venedig anbahnte, ja selbst
«la ressemblance frappante de la cheminee de Scamozzi au Palais Ducal avec les ornements de Fontainebleau:» daraus ableitet,
so sind dies kühne Schlüsse, die nach dem heutigen Stande der Forschung weder widerlegt noch bewiesen werden können.