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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Stix, Alfred: Tizians Diana und Kallisto in der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0355
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TIZIANS DIANA UND KALLISTO
IN DER KAISERLICHEN GEMÄLDEGALERIE IN WIEN.

Von

Alfred Stix.

Im Jahre 1559 schickte Tizian an König Philipp II. drei Bilder nach Madrid: eine
Grablegung und zwei Poesien aus dem Kreise des Diana-Mythos. Die beiden letz-
teren sind nach mannigfachem Schicksal heute in der Bridgewater-Galerie in Lon-
don zu sehen: Diana und Aktaön und Kallistos Bad (Fig. 1), wie es Ridolfi einmal
nennt. Sie werden in mehreren Briefen Tizians erwähnt, so daß wir ihre Geschichte
genau feststellen können.1 Ihre Ausführung war besonders sorgfältig. Sie zog sich
durch drei Jahre hin. Leider sind die Bilder nicht mehr ganz tadellos erhalten.2 Von
der Diana und Kallisto gibt es in Madrid eine Kopie, die allgemein als das Werk eines spanischen Malers
gilt. In der Accademia di San Lucca in Rom finden wir eine Teilkopie der linken Hälfte, die sinnlos
zu einem geschlossenen Ganzen gemacht wurde; sie stammt noch aus dem XVI. Jahrhundert, ist aber
von minder guter Qualität.

Außerdem besitzt die kaiserliche Galerie in Wien eine Replik des Bildes, die in wesentlichen
Teilen vom Bridgewater-Exemplar abweicht (Tafel XLII). Eine vlämische Kopie danach hängt als
Teniers in der Sammlung der Akademie der bildenden Künste in Wien. Das Urfeil über das Wiener
Bild war im Laufe der modernen Forschung ein sehr verschiedenes. Waagen, der beide genau kannte,
hat unserem Exemplar noch den Vorzug gegeben.3 Morelli zählt es unter die eigenhändigen Werke
des Meisters.4 Berenson5 und Gronau6 lassen es nicht mehr als solches gelten und haben ihm die Auf-
nahme in ihre Oeuvres-Liste verweigert. In der letzten (vierten) Auflage des Tizianbandes der Klassiker
der Kunst gilt es als Werkstattbild, an dem Tizian einiges gemacht habe.7 Es ist dies die Ansicht, die
auch Crowe und Cavalcaselle schon geäußert haben.8

In jüngster Zeit war wegen der Abblätterung der Farbschicht eine Rentoilierung des Bildes not-
wendig geworden. Dabei ward die Vorzeichnung sichtbar, die, so gut es in diesem schwierigen Falle
ging, photographisch festgehalten wurde (Tafel XLIII). Auch ist dadurch eine sehr genaue Unter-
suchung des Zustandes des Bildes möglich geworden. Beide Umstände veranlaßten mich, die Frage
nach dem Urheber des Bildes noch einmal aufzunehmen. Dabei gelangte ich zur Überzeugung, daß wir
es mit einem im Wesentlichen eigenhändigen Werke Tizians zu tun haben, wofür ich versuchen will,
den Beweis zu führen.

Unser Bild laßt sich nicht über die Mitte des XVII. Jahrhunderts zurückverfolgen. Es war um
diese Zeit im Besitze des Erzherzogs Leopold Wilhelm, da es in dem von Teniers herausgegebenen

1 Siehe Crowe und Cavalcaselle, Tizian, Deutsche Ausgabe II, S. 588 ff.
' 2 Durch den Vergleich mit den Kopien läßt sich bei der Diana und Kallisto eine störende Obermalung feststellen, die
ihre Entstehung dem Willen eines moralischen Besitzers verdankt. Bei der stehenden Nymphe links ist der Schoß durch
einen Zipfel des Gewandes der Kallisto bedeckt, der nach dem Fall des Stoffes unsinnig wirkt und in der Tat weder in Rom
noch in Madrid vorkommt. Derselben Zeit gehört auch der Schleier über dem Schosse der Diana an.

3 G. F. Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien (Wien 1866) I, S. 34/35.

4 Ivan Lermolieff, Kunstkritische Studien über italienische Malerei. Die Galerien zu München und Dresden, S. 3oa.

5 The Venetian painters of the renaissance, London 1899. 6 Georg Gronau, Titian, London 1904.

7 Klassiker der Kunst in Gesamtausgaben III: Tizian, herausgegeben von Oskar Fischel, 4. Auflage, S. 258.

8 A. a. 0. 11, S. 597.

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