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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 31.1913-1914

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I. Teil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Paralipomena aus der Skulpturensammlung des allerh. Kaiserhauses: Nachlese zu der Abhandlung: Aus der Bildnerwerkstatt der Renaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.6178#0372
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352

Julius von Schlosser.

n.

Eine oberdeutsche Holzgruppe.

(Tafel XLV.)

In der Renaissanceabteilung des kunsthistorischen Hofmuseums ist seit 1908 eine Gruppe von
drei nackten Putti im Liebesspiel ausgestellt, die vor mehreren Jahren in der k. k. Hofbibliothek aufge-
funden und von dieser als Leihgut den Sammlungen übergeben worden ist. Sie ist aus warmbraun ge-
töntem Birnholz und mißt ohne Postament ca. 3o cm, mit diesem ca. 41 cm Höhe. Die Länge des
letzteren beträgt 76 cm. Es sei gleich bemerkt, daß irgend welche Daten über die Herkunft des Stückes,

Fig. 6 und 7. Details aus der Pultigruppe.

das sich seit langen Zeiten unbeachtet in den Depots der Hofbibliothek befunden hat, bis jetzt nicht
aufzutreiben waren. Zu gleicher Zeit wurde auch von derselben Stelle eine sehr merkwürdige bemalte
Tonbüste eines jungen Mannes, vermutlich eine süddeutsche Arbeit aus der nämlichen Zeit wie unsere
Gruppe, übernommen, die gelegentlich an dieser Stelle publiziert werden soll.

Es handelt sich um ein sehr merkwürdiges und singuläres kleines Kunstwerk, von dem wir statt
langatmiger Beschreibungen möglichst viele Details in Abbildung geben wollen; die Arbeit ist so vor-
züglich und so charakteristisch, daß sie dies verdient (Fig. 6—9). Wir bringen es in diesem Zusammen-
hange, weil der Bildner sich ein ziemlich kompliziertes Bewegungsmotiv als Problem gestellt hat und
weil die Art, wie er sein realistisches Detail behandelt, höchst bezeichnend ist für die spezifische Art des
Deutschen — denn nur um einen solchen kann es sich handeln — der italienischen Kunst gegenüber,
deren Einfluß er doch wenigstens äußerlich erfahren hat.

Wie schon erwähnt, handelt es sich um ein Liebesspiel dreier Putten, kindlichste Männlichkeit
zwischen zarteste Weiblichkeit gestellt, in Anziehung und Abstoßung derbkindischer Art — obwohl
diese kleinen Flügelwesen, in ihrer infantilen Sexualität das Treiben der Erwachsenen parodierend,
nicht nur in ihrer phantastischen Bildung, sondern auch in ihrem symbolischen Gehalt über die Rea-
lität hinausweisen.

Die Situation ist beiläufig folgende: Zwischen die beiden weiblich-geruhig sitzenden Gespielinnen
— die eine rechts hat als Unterlage einen Polster, die zweite ein Gewandstück — ist ein mutwilli-
 
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