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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0086
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Leo Planiscig.

Jahrhundert voneinander trennt, wird um so deutlicher ersichtlich sein. Die Apostelköpfe der Dalle
Masegne sind die Folge einer langen venezianischen Entwicklung und durch die Aufnahme nordi-
scher, wahrscheinlich süddeutscher Einflüsse bedeuten sie etwas ganz «Neues» in der italienischen
Trecentoskulptur. Noch krasser ist der Unterschied zwischen den extrem-naturalistischen, von vene-
zianischen Bildhauern am Ende des Trecento ausgeführten Prophetenreliefs unter den Fenstern von
S. Petronio in Bologna und unserer Figur des Beato Simeone. Der Zusammenhang dieser Pro-
phetenfiguren mit den Lettneraposteln, deren stilistische Vorstufe sie bilden, wird an anderer

Fig. 47. Grabmal des Bischofs Castellano da Salomone.
Treviso, Dom.

Stelle noch eingehend zu besprechen sein: hier sollen sie uns nur den großen Unterschied zeigen,
der sie vom B. Simeone trennt.

Man hat diesen Kopf als einen «Charakterkopf» bezeichnet. Ich glaube, man ist damit zu weit
gegangen. Denn was man im ersten Augenblick als solchen ansehen könnte, ergibt sich doch bei
einer näheren Untersuchung wie bei jener der Gewänder als Schema. — Die Symmetrie des Bartes
und der Haare, die stilisierten Locken, an denen deutlich die Arbeit des Bohrers wahrzunehmen
ist, dann die lineare Art, in der die Falten des Gewandes behandelt sind, das Mißverhältnis zwischen
Armen und Körperlänge, schließlich auch der antikische Gehalt und das Größenverhältnis zu dem
schwächlichen, kaum angedeuteten Körper sind sicher nicht Faktoren, die unsere Figur dem Ende
des XIV. Jahrhunderts, sei es in Venedig, sei es in Florenz oder, wie Venturi möchte, in Rom
nähern. Andererseits werden wir sehen, daß die charakteristischen Merkmale unserer Skulptur
in den Anfang des Trecento, und zwar zu einer ganz bestimmten toskanischen Richtung
passen.

Einen letzten Grund für die Aufrechthaltung der von Venturi verworfenen Datierung bieten
die Figuren am Sarkophage des Beato Odorico da Pordenone in der Carmini-Kirche zu Udine,
ein dokumentarisch gesichertes Werk aus dem Jahre i33i (Fig. 49). Die stilistischen Eigenschaften
dieser Skulpturen zwingen uns zu der Annahme einer direkten Beeinflussung durch die B. Simeone-
Statue. Namentlich die Figur des Toten B. Odorico wäre ohne den Simeone kaum denkbar. Daß
 
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