Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

DOI Heft:
I. Theil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0126
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
118

Leo Planiscig.

De Sanctis-Bottega zeigen aber eine Reihe anderer, und zwar wesentlicher Elemente, die zur Er-
gründung ihres Stils noch nicht in Betracht gezogen worden sind.

Als die Hauptwerke der De Sanctis-Bottega sind die Grabdenkmäler des Jacopo (Fig. 81)
und des Ubertino da Carrara (Fig. 82) in der Eremitani-Kirche zu Padua zu betrachten.1
Lange wurden sie den Brüdern Dalle Masegne zugeschrieben. Ein von Biscaro aufgefundenes Do-
kument hat aber volles Licht über das Entstehungsjahr des Grabmals Jacopos sowie über dessen
Künstler erbracht. Es lautet in den für uns wichtigsten Stellen folgendermaßen:

1351, Februar 26, Venedig. Rivoalto sub Camera Dominorum aestimatorum auri; Quittung,
die Andriolus tayapiera filius quondam Pagani contratae Sanctae Margaritae, Albertus tayapiera
quondam Ziliberti de Petro Santo contratae Sanctis Barnabas et Franciscus tayapiera quondam
Bonaventurae dictae contratae mit Dardi tayapiera als Zeuge dem ser Paschale . . . factori nobilium
et potentum dominorum Jacobini et Francisci de Chararia civitatis Paduae über die Summe von
hundert Golddukaten justi ponderis ausstellen, die sie als Vorzahlung des Betrages für ein Stein-
grabdenkmal cum toto suo fornimento lapideo pro sepoltura olim bonae memoriae egregii et potentis
domini Jacopi de Chararia olim civitatis Paduae et districtus domini generalis erhalten haben. Zum
Schlüsse versprechen sie, das Werk im Monat April des laufenden Jahres zu vollenden.

Das Grabdenkmal des Jacopo de Carrara (1351), das sich jetzt an der linken Innen-
wand der Eremitani-Kirche befindet, stand ursprünglich in der Apsis (links) der Kirche Sant'
Agostino zu Padua. Unter Napoleons Herrschaft wurde diese Kirche geschlossen, später, um
1820, demoliert. Sowohl das Grabmal des Jacopo als auch das des Ubertino, das gleichfalls in der
Agostino-Kirche dem ersten gegenüberstand, wurden [816 in die Eremitani-Kirche übertragen und
auf dem heutigen Platze aufgestellt. Diese Neuaufstellung hat einen fragmentarischen Charakter.
Beim Verlassen ihres ursprünglichen Aufstellungsortes wurden diese Grabmonumente jener dekora-
tiven Note beraubt, die sie auszeichnete und von der man sich jetzt aus den Resten nur eine bei-
läufige Vorstellung bilden kann. Auch die Fresken, die den Teil der Mauer zwischen Nischen-
bogen und Sargkasten ausfüllten, sind größtenteils verloren gegangen; nur spärliche Fragmente
wurden übertragen und konserviert.

Für den ursprünglich dekorativen Charakter zeugen die dünnen und leichten Säulen, deren
Funktion das Tragen des Nischenbogens sein sollte. Im Vergleiche zu diesem fehlt ihnen aber das
richtige architektonische Verhältnis im klassischen Sinne. Gerade dieses Fehlen steht im Einklang
mit jener dekorativen Tendenz, die ein Merkmal der venezianischen Gotik seit der Mitte des
XIV. Jahrhunderts wurde. Nicht die Säulen sondern zwei Konsolen tragen den Bogen, zu dessen
Seiten je eine durch zwei kleine Nischen gegliederte Lisene läuft. In diesen Nischen stehen unten
die Verkündigungsfiguren, oben zwei männliche Heilige. Die Zwickel schmücken Medaillons mit
Halbfiguren betender Engel, die innere Leibung des Nischenbogens Rosetten und Halbfiguren von
Heiligen. Der Sarkophagkasten ruht auf stark profilierten Konsolen mit reichem Blattornamente.
Die Anordnung des Kastens, dessen Decke als Paradebett mit dem darauf ruhenden Toten gedacht
ist, ist für das Trecento nichts Seltenes. Die Ausführung dieses sonst üblichen Motivs aber ist
hier eine neue. Man könnte sagen, es seien Veränderungen und Neuerungen im dekorativen Sinn
vorgenommen worden. Was man an den Trecento-Grabdenkmälern zu treffen nicht gewohnt ist,
sind die Ecknischen und das diesen folgende obere sowie das an manchen Stellen ausladende
untere Gesims, fast als barock zu bezeichnende Elemente, die der spätantiken dekorativen Kunst

1 Scardeone, De antiquitate urbis Patavii, Basel 1560, p. 278; Rossetti, a. a. 0., p. 10; beide Werke erwähnen die
Grabdenkmäler noch in Sant' Agostino. Rossetti nennt eine Inschrift am Grabe Jacopos, die von Petrarca stammen soll. De
Marchi a.a.O., p. 313 f.; Selvatico, Guida di Padova etc. a. a. O., p. i38 (Ubcrtino-Grabmal), versucht als erster eine
Künstlerbestimmung: «Le eleganti Statuette che fregiano quest' arca, lo Stile delle modanature e tutta la composizione, mani-
festano, se non la mano, la scuola almeno, dei veneziani scultori ed architetti, Jacobello e Pietro Paolo dalle Ma-
segne» u. p. 151 (Jacopo-Grabmal), wo die Inschrift Petrarcas hervorgehoben wird. A. G. Meyer, Lombardische Denkmäler
des vierzehnten Jahrhunderts, Stuttgart 1893, p. 86: als Werke der Masegne-Schule angeführt. Gabelentz a. a. O., p. 255 f.;
Cicerone (X. Aufl.), S. 110 u. 428.
 
Annotationen