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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0138
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Leo Planiscig.

hervortritt — ein Beispiel anzuführen, das um 1443 entstandene Grabmal Brando in Castiglione
d'Olona (Fig. 88).1 Alle diese Werke sind während der ersten Hälfte des Quattrocento ent-
standen und zeigen vor allem in der Bildung des Ge-
sichtes schlagende Ähnlichkeit mit den Engeln des Scro-
vegni-Sarkophags. Aus derselben Zeit stammt auch eine
venezianische Engelsfigur, wahrscheinlich von einer
Verkündigungsszene stammend, im Schlosse Liechten-
stein bei Mödling (Fig. 8g).

Durch das reiche Vergleichungsmaterial bleibt uns
wohl eine eingehende stilistische Analyse dieser Engels-
figuren erspart. Es fragt sich aber, wie sind diese Skulp-
turen mit unzweideutigen Merkmalen venezianischer Quat-
trocentokunst an einem Grabmonument zu erklären, des-
sen übrige Teile (Figur des Toten) dem Kunstkreise des
Andreolo de Sanctis angehören? Bei näherem Zusehen
wird man an beiden Seiten des Sarkophagkastens unter
den rechteckigen Sockeln, die als Basis für die Engels-
figuren dienen, Bruchstellen bemerken. Es scheint also,
daß — dem Stil der Figuren nach zu schließen — am
Anfang des XV. Jahrhunderts hier eine Restaurierung, so-
gar eine Erneuerung stattgefunden hat. Da aber das
Motiv der Vorhänge haltenden Engel an einem Parade-
bett in der Form, wie man sie hier vorfindet, eine
häufige Erscheinung im Trecento ist, ergibt sich der
Schluß, daß man bei einer Erneuerung der wahrschein-
lich schadhaften ursprünglichen Figuren das alte Schema
beibehalten hat, wobei diese im neuen Stile ausgeführt
wurden.

Mit Ausschluß dieser beiden Engel bleibt für die
Werkstatt des Andreolo nur noch die Totenfigur des
Scrovegni übrig. Moschetti und alle jene Kunsthistori-
ker, die sich mit diesem Denkmal beschäftigt haben,
halten es in allen seinen Teilen für gleichzeitig, Mos-
chetti direkt für ein Werk Andreolos, für den er nicht
genug Worte des Lobes finden kann, da ihm wohl die
«squisita delicatezza» unserer Engelsfiguren nicht ent-
gangen ist. Gerne darf man ihm glauben, daß Andreolo
eine solche «squisita delicatezza» weder vorher noch
nachher (Kapelle S. Feiice im Santo) in seinen Werken
gezeigt hat. Um sie zu erlangen, hätte er Ghiberti er-
leben müssen. Da er aber 1351 sicher bereits ein reifer
Künstler war, so hieße das zuviel Lebensfähigkeit von einem Menschen verlangen, zumal da das
Trecento leider kein biblisches Zeitalter mehr war.

Ein sicheres Werk des Andreolo de Sanctis ist der zwischen den Jahren 1372—1376 erfolgte
Bau der San Felice-Kapelle im Santo zu Padua (Fig. 90). Am 12. Februar 1372 schloß Boni-
fazio dei Lupi mit dem «Architekten» Andreolo de Sanctis aus Venedig einen Vertrag,2 wo-

1 D. di Sant' Ambrogio, II Borgo di Castiglione d'Olona, Mailand 19öS.

3 Das Dokument ms. aus dem XIV. Jahrhundert befindet sich im Archivio dell'A rcisped ale di S.Maria Nuova
in Florenz und ist zum ersten Male von Gualandi, Memorie di belle arti, Serie IV (Bologna 1846), veröffentlicht worden.

Fig. 89. Verkündigungsengel.
Schloß Liechtenstein bei Mödling.
 
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