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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Peltzer, Rudolf Arthur: Hans Rottenhammer
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0352
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040

Rudolf Arthur Peltzer.

III. Rückblick auf Rottenhammers Kunst. Seine Stellung innerhalb

der Kunstentwicklung.

Bei einer Ubersicht über das Stoffgebiet von Rottenhammers Kunst fällt sogleich auf, daß
Bildnisse und realistische Darstellungen gänzlich fehlen; nur einmal wird — in dem In-
ventar eines venezianischen Sammlers1 —■ ein Porträt von seiner Hand erwähnt. Nicht einmal ein
Selbstbildnis hat Rottenhammer hinterlassen. Auch unter den zahlreichen Handzeichnungen wird
man Studien nach dem Leben vermissen. Die Wiedergabe von Szenen aus dem täglichen Leben,
etwa derber, «vili» Sujets, die zum Entsetzen des Italieners die Oltramontani pflegten, vermeidet
Rottenhammer grundsätzlich, wie er denn um das von Caravaggio in die Kunstentwicklung hinein-
geworfene Problem des Naturalismus einen weiten Bogen macht. Überhaupt geht er ernsten,
düsteren Stoffen, die eine bewegte und leidenschaftliche Seele voraussetzen, gewalttätigen Martyrien,
Passionsszenen und dergleichen aus dem Wege. Das unterscheidet ihn deutlich von dem genialisch-
realistischen Gebaren niederländischer Manieristen vom Schlage eines Spranger, Goltzius, Martin
de Voss, Aachen, Cornelissen oder Jost van Winghen, die es in der Forza und Furia Michelangelo
gleichzutun suchten, ohne aber den derben Wirklichkeitssinn und das robuste Formgefühl des Nieder-
länders abstreifen zu können. Der nüchterne, allem Exzentrischen abgeneigte Candid steht ihm von
den Zeitgenossen vielleicht am nächsten. Auch Rottenhammer verschmäht im allgemeinen extravagante
Wirkungen, wie illusionistische Täuschungen mittels starker Überschneidungen und Verkürzungen,
übermenschliche Proportionen, schillernde Farben und dergleichen billige Mittel, die das damalige
Publikum verblüfften. Lichtproblemen geht er auch nur selten nach und begibt sich so des wesent-
lichsten Ausdrucksmittels der Barockkunst.

Was er erstrebt, ist eine rein formale Schönheit. Die Forderung der «Gratia» steht ihm
obenan. Seine Auffassung von dem Wesen der Malerei entspricht ganz den damals in Italien
herrschenden Anschauungen, wie sie in den Kunsttraktaten niedergelegt sind. Alle die Schlagwörter
von der vaghezza, dolcezza, morbidezza, tenerezza wird man auf seine Schöpfungen angewandt
haben. Es fehlt ihm nicht der buon disegno noch die invenzione, wohl aber die innere Beseelung,
die freilich am wenigsten verlangt wurde. So bemüht sich Rottenhammer meist nicht, in den Sinn
der heiligen oder profanen Geschichten, die er malt, tiefer einzudringen und etwa eine persönliche
Auffassung zur Geltung zu bringen. Seine Figuren sind häufig bloße Schemen, zwar farbig reizvoll,
aber ohne jedes Seelenleben; eine Charakterisierung wird gar nicht versucht, sie sollen nur hold
und anmutig erscheinen, einerlei ob es sich um Nymphen oder heilige Frauen handelt. Seinen
Frauen gestalten ■— die Männer, deren Inkarnat gegenüber den rosigen Frauenleibern braun ge-
halten ist, sind schwächlich und kraftlos — ist eine gewisse Anmut nicht abzusprechen, wenn sie
sich auch alle wie Schwestern gleichen und ihre Abstammung von Tizian oder Tintoretto nicht
verleugnen können. Es sind untersetzte, üppige venezianische Gestalten mit kleinen blonden Köpfen;
Nase und Mund sind zierlich gebildet. Die großen Augen haben einen träumerischen Ausdruck, da
der Augenstern stets als großer schimmernder brauner Fleck gemalt ist; bei gesenktem Blick erscheinen
die Augendeckel übermäßig groß. Die Kinderkörper sind vielleicht mit größerem Verständnis
behandelt als die Frauenakte. Seine Aktmalerei dürfte unserem Meister die meisten Bewunderer
zugeführt haben.

So gibt sich Rottenhammer in allem als ein richtiger Epigone der venezianischen Re-
naissance zu erkennen, den man seiner Begabung und seinen Leistungen nach etwa in die Ge-
folgschaft von Palma Giovane einordnen könnte. Sein Kolorit hat er wie dieser an Tizian und
Veronese gebildet, hinsichtlich der Zeichnung hielt er sich mehr an Tintoretto, Seine Kunst ist
also vorwiegend rezeptiv und es sind in ihr wenig Elemente enthalten, die auf die Zukunft, den

1 Siehe Verz. II, Nr. 10.
 
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