Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 20

Gin Opfer der ITlode fulius Diez

.Schade, dah diele modernen Koltüme Io unpraktisch lind: man kann lieh nicht 'ma>
nach 'nem hübrdien Riffmeilfer umfehenl“

»6

TKHeltcbrontfc der „Zugend"

Anbeginn des Monats Mai
Paffirte wieder mancherlei:

Zum Beispiel wird jetzt fcstgestellt,

Daß p t e r p o tt t Morgan, der die Welt
Zusammenkaust, wie Alle wissen,

3n Deutschland auf Granit gebissen.

Er wollte Hamburg auch und Bremen
Die großen Dampferlinien nehmen
Und seinem Trust verleiben ein,
wie Englands große White Star Line.

Doch die Zusammenkauferei,

Die glückte Morgan hier vorbei,

Trotz aller raffinirten Kniffe:

Es bleiben deutsch die deutschen Schiffe!

Dann kostet jetzt der Sektgenuß

per Flasche so Pf. plus

Durch unsre neue Schaumweinsteuer;

Beim Apfelwein ist's nicht so thcuer!

vermuthlich meinen die Gesetze,

wer sich an diesem Trunk ergehe,

Sei ohnehin gestraft gcuug —

Zehn Pfennig zahlt er blos mit Fug! —
In Düsseldorf sprach jüngst gewandt
Graf B ü l o w von Immanuel Kant
Und Alles ist entzückt gewesen,

Daß unser Kanzler so belesen! —

In Lübeck — wie absonderlich! —

Stellt unser» Prinzen peinerich
Der Freisinn auf als Landidaten,

Daß die sozialen Demokraten
Im Wahlkampf unterliegen sollen —

Doch der Parteipapst hört's mit Grollen,

Don „Lächerlichem Einfall!" spricht er —

So strenge richtet Richter Richter! —

Des weitern kommt die Meldung her,

Daß Ritter Schorsch von ©rterer
Den Mann, der jüngstens es gewagt
Und ihn um sein Billct gcstagt,
weil er den Halbgott nicht erkannte,

In Wahrheit keinen Mchsen nannte.

Er sagte blos in stolzer Ruh',

„Sie unverschämter Mensch!" dazu
Und meint, daß dies stch besser schicke —

© Mensch, da fehlt es weit im Knigge!

Denn jeder unbefangne Mann
Sieht dieses für noch gröber an:

„Sie ©chs!" Das war halt bajnwarisch,
wenn auch nicht just parlamentarisch,

Auch weiß man, daß die Dummen immer
Die Andern halten für noch dümmer,

Doch jenes „unverschämt" beweist
Des Ritters arroganten Geist,

Der meint, daß er, der ©rterer,

Schon etwas ganz Besondres wär! —

In Köln am Rhein hat man soeben
Max kjalbe's „Jugend" auch gegeben,

Doch hat man sie zu guter Letzt
Ins Lutherische übersetzt!

Zu einem „Pastor" ward der Pfarrer;
Kaplan Schigorski, dieser Narr, er
ward „Landidat" — na u. s. w.l
Die „Jugend" wirkte nie so heiter;

Doch traurig bleibt die ganze Sache,

Daß der Derpfaffung böser Drache
Die deutsche Kunst vergiften darf
Mit seinem Athem, faul und scharf! —

In Rom, wohin der Pilger wandelt,
wird M »s o l i n o jetzt verhandelt,

Lin Mörder, der so eitel ist,
wie höchstens sonst ein Tenorist. —

JUGEND .

1902

Die Pankee-Flegel in Venedig
Sind ihres Kerkers wieder ledig,

Den sie verdient durch rohes Raufen
Nach massenhaft betriebenem Saufen —

Der König ließ sie wieder laufen.

Im wiener Stadtrath wurde neulich
Gesprochen viel, was unerfreulich,

Als man darüber debattirt,

©b Klingers Werk wird acquirirt.

Es klang dabei das wienerisch
Schon allerhöchst-Berlinerisch!

Ein giftgeschwollner Stadtrath schrie:

„Ich halte die polychromie —

Der Gute hatte keinen Dunst! —

An sich schon für Verfall der Kunst!"

Dann rief ein andrer Biedermann:

„Man kennt dem Werk den Juden an:

Der Klinget heißt — wir wissen es! —

In Wahrheit einfach Klingeles!

Das Werk ist uns darum verhaßt,
weil er's auf Jüdisch aufgefaßt,

Auf Jüdisch hascht er nach Effekt
Und — die Frisur ist uncorrekt!"

Jedoch das allerbeste Stückl,

Das leistet dann der kerr von Rykl,

Der ans dem Handgelenke spricht:
„Das Zeugs ist gar kein Kunst-
werk nicht!

Es ist, beim rechten Licht beguckt,

Ein kunstgewerbliches Produkt!"
So schimpften sich die Weheheuler
In Fransen die verehrten Mäuler,

Und trotzdem war besagten Knoten
DasKun st werkgar nichtangebote nl —
Der Erzherzog Franz Ferdinand
Der nimmt nach London, wie bekannt,
v?rschiedne Lhrenkavaliere —

Im Ganzen sind cs Stücker viere:

Zunächst natürlich ein Magyar,

Lin Deutscher dann — ist's wirklich wahr
Lin Tscheche ferner ist dabei
Und Liner aus der Polakei!

Das wär an sich ja ganz famos —

Nun aber ist der Teufel los:

Den Mikosch will es sehr verdrießen,

Sich jenen Dreien anzuschließcn,

Denn Mikosch ist, wie Jeder weiß,

Die Nummer Eins im Lrdcnkreis,

Und würd' er gleichgestellt den frechen
Germanen, Polen oder Tschechen,

So wär' die Schmach ihm ungeheuer —
Drum schimpft und schreit und speit er Feuer!
vielleicht auch werden noch Slovenen,
Kroaten, Serben und Ruthenen,

Bulgaren, Mähren, Bosniaken,

Nebst Italienern und Slovaken
Verlangen, bei besagter Reise
Sich anzuschließen gleicherweise —

Dann wird's erst nett und Londons Mob
Ist sicher hoch erfreut darob! — Herodot

Offene Stelle

Dringend gesucht

wird von siegesgewvhntem, aber noch nicht ge-
siegt habendem, englischem Feldherrn ein Buren-
general, welcher geneigt wäre, sich unter glänzen-
den Bedingungen schlagen zu lassen. Reicher
Gewinnantheil an der Beute, Verleihung des
Lordtitels. Strengste Discretion. Nur ernst-
gemeinte Anträge beliebe man sobald als mög-
lich zu richten nach London, Staatsregierung.
Register
Herodot [Pseudonym]: Weltchronik der "Jugend"
Julius Diez: Ein Opfer der Mode
[nicht signierter Beitrag]: Offene Stelle dringend gesucht
 
Annotationen