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ÜBER DAS GEISTIGE IN DER KUNST
nie mit Gewalt angewendet werden. Wenn aber der Künstler seine
Seele nach dieser Stimmgabel stimmt, so werden schon von selbst
seine Werke in diesem Ton klingen. Und speziell die heute fort-
schreitende „Emanzipation“ wächst auf dem Boden der inneren Not-
wendigkeit, die, wie schon bezeichnet wurde, die geistige Kraft des
Objektiven in der Kunst ist. Das Objektive der Kunst sucht
sich heute mit einer besonders starken Spannung zu offenbaren. Es
werden also die zeitlichen Formen gelockert, damit das Objektive
klarer zum Ausdruck kommen kann. Die naturellen Formen stellen
Grenzen, die in vielen Fällen diesem Ausdruck im Wege liegen. So
werden sie zur Seite geschoben und die freie Stelle wird für das
Objektive der Form gebraucht — Konstruktion zum Zweck der
Komposition. Dadurch erklärt sich der schon heute klar daliegende
Drang, die konstruktiven Formen der Epoche zu entdecken. Als eine
der Übergangsformen zeigt z. B. der Kubismus, wie oft die naturellen
Formen den konstruktiven Zwecken gewaltsam unterordnet werden
müssen und welche unnötigen Hindernisse diese Formen in solchen
Fällen bilden.
Jedenfalls wird heute im allgemeinen eine entblößte Konstruktion
angewendet, welche scheinbar die einzige Möglichkeit ist, dem Objek-
tiven in der Form Ausdruck zu verleihen. Wenn wir aber daran
denken, wie die heutige Harmonie in diesem Buch definiert wurde,
so können wir auch auf dem Gebiete der Konstruktion den Geist der
Zeit erkennen: nicht eine klar daliegende, oft in die Augen springende
(„geometrische“) Konstruktion, die an Möglichkeiten reichste bzw. die
ausdrucksvollste zu sein, sondern die versteckte, die aus dem Bilde
ÜBER DAS GEISTIGE IN DER KUNST
nie mit Gewalt angewendet werden. Wenn aber der Künstler seine
Seele nach dieser Stimmgabel stimmt, so werden schon von selbst
seine Werke in diesem Ton klingen. Und speziell die heute fort-
schreitende „Emanzipation“ wächst auf dem Boden der inneren Not-
wendigkeit, die, wie schon bezeichnet wurde, die geistige Kraft des
Objektiven in der Kunst ist. Das Objektive der Kunst sucht
sich heute mit einer besonders starken Spannung zu offenbaren. Es
werden also die zeitlichen Formen gelockert, damit das Objektive
klarer zum Ausdruck kommen kann. Die naturellen Formen stellen
Grenzen, die in vielen Fällen diesem Ausdruck im Wege liegen. So
werden sie zur Seite geschoben und die freie Stelle wird für das
Objektive der Form gebraucht — Konstruktion zum Zweck der
Komposition. Dadurch erklärt sich der schon heute klar daliegende
Drang, die konstruktiven Formen der Epoche zu entdecken. Als eine
der Übergangsformen zeigt z. B. der Kubismus, wie oft die naturellen
Formen den konstruktiven Zwecken gewaltsam unterordnet werden
müssen und welche unnötigen Hindernisse diese Formen in solchen
Fällen bilden.
Jedenfalls wird heute im allgemeinen eine entblößte Konstruktion
angewendet, welche scheinbar die einzige Möglichkeit ist, dem Objek-
tiven in der Form Ausdruck zu verleihen. Wenn wir aber daran
denken, wie die heutige Harmonie in diesem Buch definiert wurde,
so können wir auch auf dem Gebiete der Konstruktion den Geist der
Zeit erkennen: nicht eine klar daliegende, oft in die Augen springende
(„geometrische“) Konstruktion, die an Möglichkeiten reichste bzw. die
ausdrucksvollste zu sein, sondern die versteckte, die aus dem Bilde