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Kandinsky, Wassily
Über das Geistige in der Kunst: insbesondere in der Malerei ; mit acht Tafeln und zehn Originalholzschnitten — München, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.27758#0149
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VII. THEORIE

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unbemerkt herauskommt und also weniger für das Auge als für die
Seele bestimmt ist.
Diese versteckte Konstruktion kann aus scheinbar zufällig
auf die Leinwand geworfenen Formen bestehen, die wieder scheinbar
in keinem Zusammenhang zueinander stehen: die äußere Abwesen-
heit dieses Zusammenhanges ist hier seine innere Anwesenheit. Das
äußerlich Gelockerte ist hier das innerlich Zusammengeschmolzene.
Und dieses bleibt inbezug auf beide Elemente gleich: in der zeich-
nerischen und in der malerischen Form.
Und gerade hier liegt die Zukunft der Harmonielehre der Malerei.
Die „irgendwie“ zueinander stehenden Formen haben doch im letzten
Grunde eine große und präzise Beziehung zueinander. Und schließ-
lich läßt sich auch diese Beziehung in einer mathematischen Form
ausdrücken, nur wird hier vielleicht mehr mit unregelmäßigen als mit
regelmäßigen Zahlen operiert.
Als letzter abstrakter Ausdruck bleibt in jeder
Kunst die Zahl.
Es ist selbstverständlich, daß dieses objektive Element andererseits
die Vernunft, das Bewußte (objektive Kenntnisse — malerischer General-
baß) als eine notwendige mitwirkende Kraft unbedingt verlangt.
Und dieses Objektive wird dem heutigen Werk auch in der Zukunft
die Möglichkeit geben, statt „ich war“ — „ich bin“ zu sagen.
 
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