Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Karl-und-Faber-Kunst- und -Literaturantiquariat <München> [Hrsg.]
Bibliophile Kostbarkeiten a. d. Bibliothek d. Augsburger Patriziers Marcus Fugger und Beiträge aus anderem Besitz (Band 2): Illum. Pergament-Manuscripte, Incunabula, Holzschnittbücher und seltene Drucke des 16. Jahrhunderts in kostbaren Einbänden, Musik, Maturwissenschaften u. Medizin, Geschichte und Geographie (Americana), Kolorierte Schweizer Ansichten: 6. und 7. November 1933 (Katalog Nr. 8) — München, 1933

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8615#0018
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2

I: Illum. Pgt.-Manuscripte

3 Horae Beatae Mariae Virginis ad Usum cujusdam Diocesis Franciae. Perga-
menthandschrift französischer Provenienz vom Ende des 15. Jahrhunderts,
in schöner gotischer Minuskel geschrieben. Mit 7 blattgroßen, von Bordüren
umrahmten Miniaturen, sowie 10 jeweils 3 Ränder füllenden Blumen-
ranken-Bordüren; ferner mit Hunderten von größeren und kleineren Zierini-
tialen und Zeilenfüllungen in Gold und Farben. 112 Bll. 8°. (12:16,5 cm).
Dunkelbr. Maroquinband d. 17. Jhdts., mit Fileten und Goldpressung a. d.
Rücken; Goldschnitt.

Der Wert des vorliegenden Livre d'heures liegt in den sieben meisterlich ausgeführten
Miniaturen, deren ungewöhnliche Feinheit, vor allem in der Darstellung der Portraits, eine her-
vorragende Künstlerhand verrät. Die einzelnen Miniaturen stellen dar:

Fol. 13r Enthauptung Johannis.

Fol. 19r Verkündigung Mariae.

Fol. 41r Anbetung der Könige.

Fol. 65r Golgatha-Szene.

Fol. 69r Ausgießung des Hl. Geistes.

Fol. 72r Gottvater erscheint König David.

Fol. 88r Maria mit Kind, thronend, mit 2 Stifterfiguren.
Fol. 107v—HOr ein französisches gereimtes Gebet. Auf dem Vorsatzblatt des Vorderdeckels handschrift-
licher Besitzvermerk vom Jahre 1568.

— S. Abb. Taf. II! —

4 Rudolf von Ems. Weltchronik (= Reimbibel). Pgt.-Ms. d. 14. Jhdts. Fol. 309 Bll.
2 Kolumnen. Mit 3 blattgroß., 25 halbblattgroß. u. ca. 350 kleineren Minia-
turen. Einband (ca. 1490): Holzdeckelbd. mit braun. Ldr. in reich, ornamen-
taler Blindpressung u. schön., lOteilig. Beschlägen. (Schließenbdr. fehlen).

Ehrismann, R. v. Ems Weltchronik No. 32; Vilmar S.38, 3; Maßmann, Kaiserchronik II, 171, 11; Bartsch,
Germ. 8, 49 Nr. 10; Strauch, Enikel S. XXXIX.

PRACHTEXEMPLAR der ursprünglichen RUDOLF'SCHEN WELTCHRONIK (sog. „RICHTER-GOTT"
CHRONIK), ganz auf PERGAMENT.

Eine der seltenen Handschriften der „Siteren Reccnsion", mit der ,.Erdkunde" (ohne die Städte am
Rhein), der Widmung an Konrad, ohne Rudolfs Nennung, dagegen hier schon Enenkel's Hiob, Alexander,
Ezechias, Eraclius, Nero, dann erst Elias und darnach Philipp's Marienleben bis zur Himmelfahrt.
Der Text beginnt Bl. 3 ro;

„(R)Ichter got herrc über alle chraft

Voit hymelischer herschaft

Ob allen chresten swebt dein chraft

Dez lobt dich allew herschaft,

Orthabar aller weishait

Lob und er sei dir gesait

Frider wefride mit weishait

Den der dir lob vnd ere sait"
und endet Bl. 309 verso:

,,.....(D)w solt in dem

hymel mein; Fraw vii chunigune

sein: Dez helf auch mir vn ew der

vater der sun der heilig geist. Amen"
Die Sprache des Codex ist stark allemanisch gefärbt: Konsonantismen wie ch für k, die häufigen Diph-
thonge ai etc. deuten auf Schweizer Boden hin.

Die braune gotische Buchschrift des 14. Jhdts., in der unser Codex doppelspaltig geschrieben ist, hat
großo Ähnlichkeit mit der der Münchner Hs. Cod. germ. 5 (abgeb. in Glauning, Schrifttafeln XXXIX) u.
zeigt die charakteristischen Brechungen vollständig ausgebildet: eckige, spitze Formen bei steiler Stel-
lung d. Buchstaben. Zu Beginn jeder Zeile sind stets große, durch einen Rotstrich verzierte Anfangs-
buchstaben verwendet.

So kostbar unser Codex an sich ist als Denkmal mittelhochdeutscher
Literatur u. besonders als ein intaktes Expl. d. ursprünglichen unver-
fälschten „Richter-Gott -Chroniken, so liegt sein Haupt wert in der
Fülle der kunst - wie auch kulturgeschichtlich bedeutenden Miniatur-
malereien, die schon Vilmar in seiner vor ca. 100 Jahren gegebenen kur-
zen Beschreibung ausdrücklich hervorhebt.

Die Miniaturen sind durchwegs mit Deckfarben auf grundiertem Pergament ausgeführt, wodurch zarte
Lasurtöne erzielt wurden. Der Künstler bevorzugt helle, leuchtende Farben u. hat dabei ein ausgesprochen
feines Gefühl für harmonische Farbwirkung. Ganz ausgezeichnet ist die Zeichnung: alle Gestalten sind
gut nuanciert, die Gesichter zeigen vielfach einen für die damalige Zeit frappierenden Ausdruck: Freude
und Zärtlichkeit, Trauer u. Schmerz. Vortrefflich liegen unserem Künstler Massenszenen, beispielsweise
Reiterkämpfe, in denen er eine vielfach variierte Bewegung versucht. In anderen wieder, so besonders
in den ersten Miniaturen des Marienlebens (Verkündigung [Bl. 241], Heimsuchung [Bl. 242), Geburt
Christi, Anbetung usw.) überrascht eine seltene Innigkeit u. Holdseligkeit d. Muttergottes.
Ganz groß ist auch die Phantasie u. Erfindungskraft d. Künstlers. Miniaturen wie die blattgroßc Dar-
stellung des Zuges der Juden durch das Rote Meer (oben stapfen die Israeliten gläubig hinter ihrem
Führer Moses drein, unten schlagen die (rot ausgemalten) Meereswogen über den gepanzerten Kohorten
des Pharao zusammen), gehören zu den besten Buchmalereien dieser Zeit. Uberall bricht das stark ins
Detail gehende, mit Lust fabulierende Talent des Künstlers durch. Mit besonderer Liebe sind auf den
vielen Schlachtenbildern die kleinsten Rüstungsteile wiedergegeben, so besonders auch auf der blattgroß.
Miniatur Bl. 94, wo die 12 Vertreter der Stämme Israels als reisige Paladine die Bundeslade umstehen
(siehe färb. Tafel vor Titeil); rührend naiv beispielsweise auch die Darstellung der Kreuzigung (Bl. 292 vo):

Karl & Faber, Antiquariat, München 2 NW, Karolinenplatz 1
 
Annotationen