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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0191
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2. Tracht und Schmuck der Frauen

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den Toten gelegen haben können, sondern aneinander gereiht, frei hängend oder
noch besser aufrecht stehend zu denken sind. Wir dürfen sie zu einer Zacken-
krone ergänzen, wie sie die Göttin auf einer Gemme aus Vaphio trägt1). Der Um-
fang einer solchen Krone (9X6-6,5 — rund 56 cm) hätte bei den mehrfach be-
zeugten, kunstreichen minoischen Frisuren nichts Befremdendes. Man vergleiche
etwa Evans II 681 Abb.431 und I 545 Abb. 397, oder Bossert Abb. 101). Neben
dem Kopfschmuck der Schlangengöttinnen von Knossos2) würden unsere Kronen
ganz bescheiden aussehen. Sie mögen auf oder neben die Leichen gestellt gewesen
sein, wie heute noch die unförmlichen Riesenturbane auf den Särgen muhamme-
danischer Fürsten. Die Blattsterne waren, nach den Fadenlöchern in ihren Rän-
dern, einst zu Blütenkelchen aufgebogen und zusammengeheftet. Feine Löcher
und Reste von Bronzestiften am Kreuzungspunkte der Blätter lehren, daß sie
einst auf eine feste Unterlage genagelt waren. Näheres läßt sich leider nicht er-
mitteln, wenn wir, wie es nötig scheint, die von Stai's vertretene, von Evans jüngst
wieder aufgenommene Theorie hölzerner Särge für die Schachtgräber ablehnen
(oben S.38ff.).

Zum Schmuck der Inhaberinnen von GrabI gehören endlich noch geringe
Reste von Halsketten aus Stein, Bernstein, Glas (Taf. CL), im ganzen nur
34 Stücke. Andere mögen zu kleinen Brocken oder zu Staub zerfallen und so ver-
loren gegangen sein. Vgl. unten Kap. 15 und zum Glase Kap. 14.

Gegenüber solch bescheidener Ausstattung ist Grab III eine förmliche Schatz-
kammer. Auch hier verteilen sich die Kostbarkeiten auf drei Tote. Nicht zu deren
Gewändern scheinen die größeren, kreisrunden Goldscheiben (Taf. XXVIII,
XXIX) zu gehören, die in besonders großen Mengen (701!) gefunden wurden,
und zwar „sowohl unter als über den Gerippen und um dieselben herum" (Schlie-
mann, Mykenae 193; oben S. 37). Bedenkt man, daß im Männergrabe V sehr zahl-
reiche entsprechende, wenn auch technisch und künstlerisch minderwertige Gold-
scheiben zutage kamen (Nr. 640ff., 666, Taf. LVI, über 100Stück), davon einige
unter Maske und Brustblech (oben S. 38), so bleibt wohl kein Zweifel, daß es
sich in beiden Fällen um Verzierungen von großen Tüchern oder von Binden
handelt, mit welchen Leichen beider Geschlechter umhüllt waren. Diese Scheiben
tragen bisweilen ein Fadenloch, aber doch nur verhältnismäßig selten. Dasselbe
gilt von den ausgeschnittenen Goldblechen Nr. 29—31, 41 (Greif, Oktopoden,
Schmetterling), sowie von der Fülle kleiner Bleche aus GrabIV (Taf.XLIV): Ro-

*) 'Eq>. dp/. 1889 Taf. 10, 33. Die Elfenbeinstatuette in Boston (Amer. Journ. Arch. XIX 1915 Taf. 13; Bossert
117 ff.) führe ich heute nur mehr zögernd an, da ernste Zweifel an ihrer Echtheit laut geworden sind. An Verzierung
von Gürteln wird man bei unseren Zacken kaum denken, da alle Analogien dazu im Minoisch-mykenischen fehlen.

») Am besten bei Evans I Titelbild und 501 ff. Abb. 359 ff. Bossert Abb. 103 ff. Vgl. Furtwängler, Aegina I 371 ff.
Taf. 108 f. Unsere Zacken waren aber nicht an solchen „Poloi" befestigt. Die starken Bronzedrähte und die feinen
Goldfaden an ihren Rändern haben nur einen Sinn, wenn sie frei standen und bloß durch jene Fäden leicht verbun-
den waren. Ganz grotesk sehen spätminoische Tonidole von Hagia Triada aus, Prinz, Festschr. z. Jahrhundertfeier d.
Univ. Breslau (1911) 577 ff.

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