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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0190

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182

III. Ergebnisse

Prunknadel Nr. 75 (Taf. XXX), die Frauen auf dem Silberrhyton Nr. 481 (S. 174 ff.
Abb. 83 f.). Letztere kommen hier kaum in Betracht, da sie offenbar nicht mykeni-
schen oder minoischen Stammes sind; überdies gibt auch ihre Darstellung für die
Tracht nichts aus. So bleiben die beiden kleinen Frauen Nr. 36 als einzige Zeugen
der weiblichen Kleidung in Mykenai zur Zeit der Schachtgräber. Denn bei der
Göttin der Prunknadel hat Valentin Müller (Ath. Mitt. XLIII 1918, 154) hethiti-
schen Einfluß nachgewiesen. Aber auch älteres Vergleichsmaterial außerhalb Kre-
tas fehlt uns, denn weder die neolithischen und älteren bronzezeitlichen Terra-
kotten des Festlandes noch die Inselidole belehren uns über die — gewiß sehr
einfache — Tracht dieser Kulturperioden1). Jene beiden Goldbleche dagegen tra-
gen das wohlbekannte minoische Gewand, ohne daß man bei der sehr summari-
schen Ausführung solcher fürs Grab hergestellten Stücke auf Einzelheiten viel Ge-
wicht legen dürfte (Beschreibung oben S. 49, vgl. unten Kap. 16). Dieses dürftige
Ergebnis wird indessen durch die Schmucksachen aus unseren Grüften wesentlich
bereichert. Sie sind in Massen erhalten; denn während sich die mykenischen Für-
sten auf wenige Kleinodien beschränkten, die großenteils eher Abzeichen ihrer
Würde als bloßer Zierat waren (oben S. 179), konnten sich ihre Damen in reichem
und mannigfaltigem Schmuck gar nicht genug tun. Vor allem Grab III zeugt
von wahrhaft königlichem Luxus. Jedoch empfiehlt es sich, wie bei den Männern
vom IL, so hier vom I. Grabe auszugehen, weil seine viel ärmlichere Ausstattung
wohl das Mindestmaß dessen darbietet, was einer mykenischen Fürstin jener Zeit
zukam.

Es ist schon oben (S. 35, 37) betont worden, daß die drei Leichen dieser Gruft
so völlig gleichartige Beigaben besaßen, wie sie nur bei annähernd gleichzeitiger
Bestattung denkbar sind. Zwischenräume von ein paar Jahren wären freilich
nicht ausgeschlossen; aber es unterliegt keinem Zweifel, daß die goldenen Dia-
deme, Zacken und Blattsterne (Nr. 184ff., Taf.XXXV), die nach den dürftigen
Angaben Schliemanns auf und bei den Toten lagen, derselben Werkstatt entstam-
men. Mit Ausnahme des einen Zackens (Nr. 185/7 b, oben S. 66), der wie ein Er-
satzstück anmutet '), läßt sich auch nicht der geringste Unterschied feststellen, der
eine sichere Verteilung dieser Goldsachen auf die einzelnen Leichen ermöglichte.
Auf jede kommen ein Diadem, das wir uns um die Stirn der Toten gelegt und
durch Fäden befestigt denken, neun Zacken und fünf oder sechs Blattsterne, aus
viel zu dünnem, schlechtem Goldblech hergestellt, als daß sie je von Lebenden
getragen sein könnten. Alle sind offenbar eigens fürs Grab hergestellt, die Zacken
freilich an den Rändern mit Bronzedrähten so verstärkt, daß sie nicht einfach auf

') Chr. Tsuntas, Aiujptov xoi Zeox.Xov 285 ff. Taf. 33 ff.; Wace-Thompson, Prehistoric Thessaly 266, Index n.
Figurines. Inselidole: Tsuntas, "Ecp. äpX. 1898, 193ff.Taf. lOf. 1899, 97; P.Wolters, Ath. Mitt. XVII 1892,46 0.; Walter
Müller, Nacktheit und Entblößung 57 ff.; Bossert Abb. 8 ff. Inselidole sind auf dem Festlande sehr selten. Aus der
Argolis kenne ich bloß je einen Torso aus Tiryns (unpubliziert) und aus Zygouries (Biegen, Zygouries 194 Abb. 183).

") Zu den Mustern dieser und aller folgenden Schmucksachen s. unten Kap. 10.
 
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