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Karo, Georg
Die Schachtgräber von Mykenai (Band 1): Text — München, 1930/​1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.14445#0306
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298

III. Ergebnisse

eigenartige Stilisierung der Tiere, der füllenden Palmen und Zweige, vor allem
des ganz grotesken Stierkopfes, gekennzeichnet: „ihr Unterschied von den ver-
glichenen Meisterwerken beruht nicht . . . allein auf Mißverständnissen, sondern
sie enthalten etwas Positives, was dem Charakter jener widerspricht: die von jenen
entlehnten Bilder frischen Lebens sind zu Ornamenten umempfunden, die nun als
solche weiterentwickelt sind .... als hätte ein keineswegs ungeschickter Arbeiter
der alten Schule im Geiste der neuen Richtung schaffen wollen, ohne ihr wahres
Wesen zu verstehen."

Dagegen enthielt Grab V noch eine ganz ausgezeichnete Löwendarstellung,
die leider arg verstümmelt ist: den Elfenbeingriff, wohl eines Spiegels, 785,
GXXXVI, S. 141 Abb. 58 f. Nach dem erhaltenen Hals und Kopf eines nach rechts
zurückgewandten, gelagerten Löwen müssen wir ein symmetrisches Gegenstück
ergänzen. Modellierung und Schwung der Bewegung sind an unserem Griff gleich
vortrefflich, die Einzelheiten aufs feinste graviert.

Was sonst noch an Löwendarstellungen bleibt, tritt gegenüber den besproche-
nen in den Hintergrund. Die drei Löwen auf dem Goldbecher 656, CXXVI sind
vergröberte Gegenstücke zur Dolchklinge 395, XCIII/IV, interessant nur durch die
abweichende Haltung mit vorgestrecktem Kopfe: dadurch kommt das wilde Rasen
der Bestien viel eindringlicher zum Ausdruck. Neben ihnen erscheinen die Löwen
der Klinge als wohlerzogene, auf adlige Haltung auch im Rennen bedachte Ge-
schöpfe. — Die kleinen, gelagerten Löwen von einem Halsschmuck, 32,
XXVII, sind geringe Nachbildungen eines spätminoischen Typus, der auch nicht
hervorragend vertreten ist: Anhänger von Hagia Triada, Bossert Abb. 191 (nach
Mon. Lincei XIV 1904, 731 ff. Abb. 27. 30; Ant. cret. I 18). Besser ist der rund-
plastische Anhänger 273, XXXII. XL VI, der dasselbe Motiv in auffallend weicher
Modellierung darstellt. Der Löwe hat hier den friedlich verschlafenen Ausdruck
einer guten Hauskatze. Der spiralig aufgerollte Schweif von 32 kehrt auch
hier wieder. Ganz entartete, sonderbar provinziale Nachklänge besserer Vorbilder
geben der Nadelkopf 274 und das Goldblech 109 (beide auf Tafel XXXII, vgl.
XXXIII. XLVI). Bei jenem ist die singuläre Auflösung der Formen, bei diesem
das Eindringen des Ornaments in der Gestaltung von Pranken und Schweifen zu
beachten. Die beiden, wohl als Griffe eines Deckels verwendeten Löwen aus Gold-
blech (über einem jetzt verlorenen, hölzernen Kern), 108, XXXIII und 843,
CXLIII, S. 148 Abb. 63, geben nur ganz summarisch die Umrisse der Form wieder.

Dem Löwen reihen wir naturgemäß den Leoparden an, über den nicht
viel zu sagen bleibt (zum Panther oben S. 295). Das schlanke, geschmeidige Raub-
tier ist in seinem lautlosen Schleichen und seinen raschen Sprüngen auf der Dolch-
klinge 763, XCIII/IV (Evans III 113 ff. Abb. 63 ff. Farbtaf.XX) so glänzend wieder-
gegeben, daß auch hier an der Autopsie des Künstlers kaum gezweifelt werden
kann, um so weniger, als das Vorkommen zahmer Geparde schon im MM. I jetzt
 
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