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Karo, Georg
Fuehrer durch Tiryns — Athen, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.14546#0016
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BESCHREIBUNG DER RUINEN

Man folgt der Landstraße von Nauplia nach Argos bis zur
nordwestlichen Ecke der vor einem Jahrhundert von Kapodistrias
gegründeten Ackerbauschule (jetzt landwirtschaftliche Strafan-
stalt). Hier liegt unter einer großen Platane ein vortrefflicher
Brunnen; etwa an derselben Stelle mögen auch die Bewohner des
alten Tiryns ihr Wasser geholt haben. Eine Seitenstraße zweigt
hier nach Osten ab; sie führt zwischen der Burg und einer unvoll-
endeten Grabung in der tirynther Unterstadt (unten S. 34f.) nach
dem Dorfe Kophini, jenseits des 205 m hohen Berggipfels des
Hagios Elias. Unterhalb der Südostecke der Burg liegt ein zweites,
halb ausgegrabenes Stück der Unterstadt, an dessen westlichem
Ende, dicht am Felsenhang, das Fundament eines sehr großen
Megaron l, mit drei rohen steinernen Basen für hölzerne Innen-
stützen. Es kann nicht gestanden haben, wahrend die Burgmauer
darüber gebaut wurde, da hierzu eine breite Erdrampe nötig war
(unten S. 13). Damals (im XIII. Jahrh.) war also jenes Megaron
entweder schon zerstört oder noch nicht erbaut.

Nach Norden fortschreitend gelangt man zu der gewaltigen
Aufgangsrampe, dem Haupteingang der Burg in ihrer letzten Aus-
gestaltung (1 auf dem Plan Taf. IV). Sie war 4,70m breit; doch sind
heute nur die südlichen zwei Drittel erhalten, der Anfang im
Norden (jetzt verschüttet) lag in dem stumpfen Winkel der Burg-
mauer (Plan 2), sodaß die Angreifer hier von zwei Seiten beschossen
werden konnten2. Sie mußten zudem auf dem ganzen langen

1 Vorläufig Arcb. Anz. 1927, 370 Abb. 4; K. Müller, Tiryns III 197. Die
Ausgrabungen mußten seit 1929 aus Mangel an Mitteln unterbrochen werden.
Megaron nennen wir nach der homerischen Bezeichnung ein rechteckiges Haus
mit Vorhalle und Hauptraum. Es ist eine in Nordgriechenlaud, Mittel- und
Nordeuropa seit neolithischer Zeit gebräuchliche, uralte europäische Hausform,
die in Troja schon im III. Jahrtausend künstlerisch ausgebildet ist, in der mykeni-
schen Architektur eine bedeutende Rolle spielt und im griechischen Tempel ihre
Vollendung erreicht.

2 Die Mauer war hier geschlossen, in der jetzigen breiten Bresche lag
kein Tor.
 
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