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Kawerau, Georg; Rehm, Albert; Wiegand, Theodor [Hrsg.]
Milet: Ergebnisse der Ausgrabungen und Untersuchungen seit dem Jahre 1899 (Band 1,3): Das Delphinion in Milet — Berlin, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.1017#0291
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III. DIE AUSSTATTUNG DES HEILIGTUMS.

A. ARCHAISCHE ZEIT.

Zwei große archaisch? llnliglumcr haben die Ausgrabungen im Stadtgebiete Milets zutage gebracht:
den Bezirk des Apollon Delphinios und das Athenahciligtum. Der Kultplatz des Delphinios ist wegen seiner
besseren Erhaltung und als Staatsarchiv der wichtigere Fund, ja er ist von grundlegender Bedeutung
für die Geschichte der Stadt.

Die Besiedelt! ng Milets, in deren Folge die kariMhi'ii Urbcwohuer und ihre ucolitlusehe Kultur ver-
drängt wurden, reicht in das ausgehende mykenische Zeitalter. Häuser und Gräber haben das gezeigt.
Nach D. Fimmen würde diese durch Kreter erfolgte Besetzung noch ins 13. Jahrhundert v. Chr. fallen
(Zeit und Dauer der kretisch-mykenischen Kultur, Leipzig 1909, S. 30 f.). Reste jener Zeit hat das Athena-
heiligtum reichlich geliefert; wenn es beim Delphinion nicht ebenso der Fall ist, so liegt dies an dem mächtig
empordringenden Grundwasser, das der Tiefgrabung in der Schicht des 6. Jahrhunderts v. Chr. ein Ziel
setzte. Mit welchen Schwierigkeiten wir die Wintergrabung dort durchführten, zeigt Abb. I S. 125. Die
Anknüpfung an das mykenische Zeitalter und damit an das erste xtio>iü KpnTiKov des Ephoros bei Str.dm
(573. 5: (Kpiyrts), oV Kai T(|v MiXnTov tKTioav Ik tijc, KnnTiKt}c, MiJu'itou) ist aber aus einem anderen Grunde
auch hier als gesichert anzusehen.

Der Delphiniosgott ist kretischer Herkunft. Sein Kult ist namentlich im Norden der Minosinsel ver-
breitet gewesen, wo das kretische Mil.itos liegt IW. Aly, Der kretische Apolloiiku.lt, Leipzig 1908, S. 13 ff.
und Klio XI 1911 S. I ff.). Mittelpunkt war Knosos, dort diente das Heiligtum wie in Milet als Staats-
archiv. Der Kult ist für Olus und Dreros erwiesen, erschließen dürfen wir ihn für Milatos und für die
Kreterstädtc Oaxos, Gortyn und Eleuthennac, von denen Weihungen nach Mile! ausgegangen sind (s. 0.
S. 115 n. Ii), die doch wohl dem Delphinios galten. Der kretische Delphinios bildete ja auch den Aus-
gangspunkt für die Gründung des delphischen Heiligtums, wohin der Gott als Delphin den Weg zeigte;
er ist maßgebend für Athen und für Agina, wo sich die auffälligste Ähnlichkeit mit der kretisch-milesi-
schen Bcsiedelungsweise gezeigt hat. Als eine der verehrtesten Gottheiten während der Kolonisations-
zeit (Gruppe, Mythol. S. 1226) ist er der Schützer der Seefahrt, dessen Name sieh aus der Bedeutung des
Delphins als glückbringenden Führers und Retters erklärt (Dümmler, Kl. Sehr. II S. 226 ff.). Vom
alten theriomorphen Uelphinios ist freilich keine bildliche Überlieferung auf uns gekommen; delphische
Einflüsse, pythische Attribute scheinen schon früh verdunkelnd in den Vordergrund getreten zu sein. Klar
wird die Tiergestalt im hymn. hom. II 222 an den pythischen Apoli geschildert: tv ttövtui b' irropouefe
öeu.ac, beXtpivi feotKÜjq vni Hof), Kai kcito rttkup uefa ie beivov ts. Daß milesische Kolonien von-der ioni-
schen Mutterstadt auch den Delphinioskult mitnahmen, ist an sieh selbstverständlich und überdies durch
das Zeugnis von Olbia bewiesen.

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