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Vor- und früksefekicktlicker Überblick
Von Kurt H. Wels
Es kann , nicht Aufgabe der altgeschichtlichen Einleitung zur Behandlung der Kunstdenkmäler eines
Kreises sein, die politisch-völkische und kulturelle Entwicklung des Gebietes in ihren Einzelzügcn und ihren
Zusammenhängen mit den Umwcltbedingtheiten darzustellen. Vielmehr gilt es, dem kunstgestaltenden Werde-
gang der Landschaft bis zu den ersten Anfängen nachzuspüren und zu versuchen, das Gestaltete aus Umwelt
und Volkheit, Boden und Blut zu verstehen und es als Vorspiel des Prägungswillens geschichtlicher Zeiten
zu erkennen. Daß Kunst je mehr am Notwendigen haftet, je älter sie ist, wird durch die stärkeren zwangshaften
Bindungen des Menschen an Art und Heimat bedingt. Daß aber gerade diese Bindungen um so klarer die völ-
kisch-landschaftliche Eigenart ausprägcn, das gerade verleiht diesen Denkmälern den Reiz jugendfrischer Un-
verbildetheit und läßt Schöpferfreude und Schaffensseligkcit, Wollen und Können des Zweckschönen nur
um so klarer hervortretcn.
Allerdings ist der altgeschichtliche Raum, der hier betrachtet werden soll, keine eigentliche Landschaft, wenn
wir darunter ein in sich geschloffenes Gebiet mit geschichtlicher, wirtschaftlicher, kultureller und volkskund-
licher Eigenprägung verstehen, die durch Klima, Bodengcstaltung, Bewachsung und Wirtschaftsform bewirkt
worden ist. Die jetzige Fischblascngestalt des Kreises Niederbarnim ist das Ergebnis politisch-verwaltungs-
technischer Entwicklung, deren landschaftliche Einheit höchstens in der im Namen ausgedrückten Oberflächen-
bildung liegt. Aber auch der niedere Teil der Barnimscholle gehört dem Kreise nur zum Teil an. Das ständig
weiter ausgreifende Groß Berlin hat ihm seine natürliche Südgrenze, die Spree, geraubt. Nur im äußersten
Süden ist ihm diese erhalten geblieben, richtiger erst vor rund 100 Jahren gegeben worden, als das südliche
Vorgelände des Nachbarkreises Oberbarnim dem Niederbarnim zugewiesen wurde. Eine landschaftliche
Grenze ist nur im Westen vorhanden, wo die breite Havelniederung großenteils in den Kreis einbezogen ist.
Im Norden wird die eigentliche Grenzschcide des Barnim, das Eberswalder Urstromtal, erheblich über-
schritten. Sandausschwemmungen einstiger Gletscherstillstandslagcn und Geschiebemergelböden ehemaliger
Ausschmelzungen des Gletscherschutts wechseln miteinander ab, jene zumeist bewaldet, diese durchweg land-
wirtschaftlich genutzt. Die überwiegend nach dem Havel- und Sprcetal abwässernden Fließe waren einst von
dichtem Auenwald umsäumt. Ungefähr längs des Panketals muß ein so dichtes Bruchwaldgebiet gelegen
haben, daß es fast für ein Jahrtausend eine Völkergrenze bilden konnte.
Vom Menschen der Eiszeit wissen wir bisher nichts Genaues; sein Dasein ist zweifelhaft, obwohl die Daseins-
möglichkeit nicht bestritten werden kann. Mindestens haben die letzten Eisvorstöße nach unserer bisherigen Er-
kenntnis alle eindeutigen Spuren verwischt. Erst in der ältesten Stufe der Abschmelzzeit, der Eismecrstufe der
jetzigen Ostsee (Yoldiazeit), taucht der Mensch auch in der Mark auf, und erst in der zweiten Stufe, der Binncn-
meerstufe der Ostsee (Ancyluszeit), können wir ihn auch im KreiseNiedcrbarnim nachweisen. Auf den trockenen
Dünen des Spreetals, der Havelniederung und längs des Eberswalder Urstromtals treffen wir menschliche
Kulturhinterlaffenschaftcn an, die durch technisch erstaunliche Kleingeräte aus Feuerstein, später durch gröbere
Fundstücke desselben Stoffes gekennzeichnet sind. Feine und feinste Flintspitzcn, Nadeln, Mefferchen, Schaber,
Stichel, vielfach durch saubere Randmuschelung geschärft, liegen z. B. vor von Borgsdorf und Lehnitz, Remate
und Grafcnbrück, der Grenzzone bei Biesenthal, von Neubuchhorst, Wilhelmsau und Sieverslake. Unter den
Geräten fallen besonders die Pfeilschneiden auf, die aus einem Feuersteinspanmeffer durch geschickte Quer-
schläge gewonnen wurden (Borgsdorf, Birkenwerder, Summt, Neubuchhorst, Wilhelmsau). Daneben ver-
sucht der damalige Vorindogermane sich die Hirschgeweihstangen nutzbar zu machen, die teils als Hacke, teils
als Beilfaffungcn dienten. Prächtige Stücke, manchmal von glänzend schwarzer Moorpatina überzogen,
besitzen wir von Liebenwalde, Marienwerder, Oranienburg, Jägerbude bei Erkner. Viele der genannten Fund-
stücke dürsten bereits in die frühe Gegenwartsstufe der Ostseegestaltung hineinreichen, die sogenannte Litorina-
zeit, in der das bisherige Süßwasserbinnenmeer über Dänemark die Verbindung mit dem Weltmeer bekam.
Den Übergang zur Jungsteinzeit deuten die Walzenbeile von Liebenthal, Oranienburg, Birkenwerder, dem
Vor- und früksefekicktlicker Überblick
Von Kurt H. Wels
Es kann , nicht Aufgabe der altgeschichtlichen Einleitung zur Behandlung der Kunstdenkmäler eines
Kreises sein, die politisch-völkische und kulturelle Entwicklung des Gebietes in ihren Einzelzügcn und ihren
Zusammenhängen mit den Umwcltbedingtheiten darzustellen. Vielmehr gilt es, dem kunstgestaltenden Werde-
gang der Landschaft bis zu den ersten Anfängen nachzuspüren und zu versuchen, das Gestaltete aus Umwelt
und Volkheit, Boden und Blut zu verstehen und es als Vorspiel des Prägungswillens geschichtlicher Zeiten
zu erkennen. Daß Kunst je mehr am Notwendigen haftet, je älter sie ist, wird durch die stärkeren zwangshaften
Bindungen des Menschen an Art und Heimat bedingt. Daß aber gerade diese Bindungen um so klarer die völ-
kisch-landschaftliche Eigenart ausprägcn, das gerade verleiht diesen Denkmälern den Reiz jugendfrischer Un-
verbildetheit und läßt Schöpferfreude und Schaffensseligkcit, Wollen und Können des Zweckschönen nur
um so klarer hervortretcn.
Allerdings ist der altgeschichtliche Raum, der hier betrachtet werden soll, keine eigentliche Landschaft, wenn
wir darunter ein in sich geschloffenes Gebiet mit geschichtlicher, wirtschaftlicher, kultureller und volkskund-
licher Eigenprägung verstehen, die durch Klima, Bodengcstaltung, Bewachsung und Wirtschaftsform bewirkt
worden ist. Die jetzige Fischblascngestalt des Kreises Niederbarnim ist das Ergebnis politisch-verwaltungs-
technischer Entwicklung, deren landschaftliche Einheit höchstens in der im Namen ausgedrückten Oberflächen-
bildung liegt. Aber auch der niedere Teil der Barnimscholle gehört dem Kreise nur zum Teil an. Das ständig
weiter ausgreifende Groß Berlin hat ihm seine natürliche Südgrenze, die Spree, geraubt. Nur im äußersten
Süden ist ihm diese erhalten geblieben, richtiger erst vor rund 100 Jahren gegeben worden, als das südliche
Vorgelände des Nachbarkreises Oberbarnim dem Niederbarnim zugewiesen wurde. Eine landschaftliche
Grenze ist nur im Westen vorhanden, wo die breite Havelniederung großenteils in den Kreis einbezogen ist.
Im Norden wird die eigentliche Grenzschcide des Barnim, das Eberswalder Urstromtal, erheblich über-
schritten. Sandausschwemmungen einstiger Gletscherstillstandslagcn und Geschiebemergelböden ehemaliger
Ausschmelzungen des Gletscherschutts wechseln miteinander ab, jene zumeist bewaldet, diese durchweg land-
wirtschaftlich genutzt. Die überwiegend nach dem Havel- und Sprcetal abwässernden Fließe waren einst von
dichtem Auenwald umsäumt. Ungefähr längs des Panketals muß ein so dichtes Bruchwaldgebiet gelegen
haben, daß es fast für ein Jahrtausend eine Völkergrenze bilden konnte.
Vom Menschen der Eiszeit wissen wir bisher nichts Genaues; sein Dasein ist zweifelhaft, obwohl die Daseins-
möglichkeit nicht bestritten werden kann. Mindestens haben die letzten Eisvorstöße nach unserer bisherigen Er-
kenntnis alle eindeutigen Spuren verwischt. Erst in der ältesten Stufe der Abschmelzzeit, der Eismecrstufe der
jetzigen Ostsee (Yoldiazeit), taucht der Mensch auch in der Mark auf, und erst in der zweiten Stufe, der Binncn-
meerstufe der Ostsee (Ancyluszeit), können wir ihn auch im KreiseNiedcrbarnim nachweisen. Auf den trockenen
Dünen des Spreetals, der Havelniederung und längs des Eberswalder Urstromtals treffen wir menschliche
Kulturhinterlaffenschaftcn an, die durch technisch erstaunliche Kleingeräte aus Feuerstein, später durch gröbere
Fundstücke desselben Stoffes gekennzeichnet sind. Feine und feinste Flintspitzcn, Nadeln, Mefferchen, Schaber,
Stichel, vielfach durch saubere Randmuschelung geschärft, liegen z. B. vor von Borgsdorf und Lehnitz, Remate
und Grafcnbrück, der Grenzzone bei Biesenthal, von Neubuchhorst, Wilhelmsau und Sieverslake. Unter den
Geräten fallen besonders die Pfeilschneiden auf, die aus einem Feuersteinspanmeffer durch geschickte Quer-
schläge gewonnen wurden (Borgsdorf, Birkenwerder, Summt, Neubuchhorst, Wilhelmsau). Daneben ver-
sucht der damalige Vorindogermane sich die Hirschgeweihstangen nutzbar zu machen, die teils als Hacke, teils
als Beilfaffungcn dienten. Prächtige Stücke, manchmal von glänzend schwarzer Moorpatina überzogen,
besitzen wir von Liebenwalde, Marienwerder, Oranienburg, Jägerbude bei Erkner. Viele der genannten Fund-
stücke dürsten bereits in die frühe Gegenwartsstufe der Ostseegestaltung hineinreichen, die sogenannte Litorina-
zeit, in der das bisherige Süßwasserbinnenmeer über Dänemark die Verbindung mit dem Weltmeer bekam.
Den Übergang zur Jungsteinzeit deuten die Walzenbeile von Liebenthal, Oranienburg, Birkenwerder, dem