Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kerschensteiner, Georg
Die Entwickelung der zeichnerischen Begabung: neue Ergebnisse auf Grund neuer Untersuchungen — München, 1905

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27816#0461
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
III. Entwickelung der Zeichenbegabung unter
Mitwirkung des Unterrichts.

§ 8.

Stellung des Zeichenunterrichts an den allgemein-
bildenden Schulen.

Die eingehenden und umfangreichen Versuche, die wir betrachtet Alte und neue
haben, förderten eine Fülle neuer Tatsachen zu Tage, auf Grund deren AnscbauLmgen.
es sich der Mühe lohnt, die Frage der Ausbildung der graphischen
Ausdrucksfähigkeit des Menschen im Zusammenhang mit anderen
Gesichtspunkten einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen. An
den allgemeinbildenden Schulen und vor allem an den Volksschulen
hat im vergangenen Jahrhundert der Zeichenunterricht entweder gar
keine oder eine nur sehr nebensächliche Rolle gespielt; günstigsten-
falls stellte man ihn in den Dienst der sogenannten Geschmacks-
bildung und glaubte sie dadurch fördern zu können, dass man den
Kultus der „schönen Linie“ des Ornamentes pflegte. Darin ist in
den letzten zehn Jahren ein starker Wandel erfolgt. Ja, es fehlt, wie
das eben zu gehen pflegt, heute nicht an Stimmen, die dem Zeichen-
unterricht geradezu eine erzieherische Allmacht zuzuschreiben ge-
neigt sind, und ihm demgemäss einen entsprechend grossen Teil der
gesamten Unterrichtszeit eingeräumt wissen wollen. So glaubte die
Kunstmalerin Mde. Luise Chartrousse aus Paris auf dem II. inter-
nationalen Zeichenkongress zu Bern im August 1904 vom guten
Zeichner erwarten zu können, dass er die lebenden Dinge betrachten
werde, wie er die toten Dinge beobachtet hat, dass in ihm aus der
Erfassung der schönen Form ein feineres Gefühl für die Dinge über-
haupt, die ihn umgeben, und ein Abscheu vor allem Gemeinen sich
entwickeln werde, dass er sich nicht bloss der physischen Seite der
Dinge zuwenden werde, um daraus die Formen zu gestalten, sondern
 
Annotationen