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Kerschensteiner, Georg
Die Entwickelung der zeichnerischen Begabung: neue Ergebnisse auf Grund neuer Untersuchungen — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.27816#0481
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§9' Das Stoffgebiet des Zeichnens an den allgemeinbildenden Schulen. 461

Dinge,-, wenn es sich darum handelt, die Sparsamkeit und treffliche
Charakteristik der Ausdrucksmittel zu studieren, mit welchen grosse
Künstler ihre Vorstellungen für alle Zeiten schwarz auf weiss verewigt
haben. An dem Studium und an dem Kopieren von solchen Handzeich-
nungen haben die grössten unserer Maler sich ergötzt und die
Kräfte ihres Ausdrucks gefördert. Alle die kleinen Künstler, die ich
im Laufe meiner Untersuchungen aufgestöbert und deren Arbeiten
wir in diesem Buch bewundert haben, sind die eifrigsten Abzeichner
von Bildern aller Art. Was zu verwerfen ist, sind nur Vorlagen,
die bloss für den Zeichenunterricht geschaffen sind und vor
allem das Abzeichnen der Darstellungen von Dingen, um deren
graphischen Ausdruck nach der Natur oder nach der Vorstellung
wir nicht selbständig uns bereits bemüht haben. Da aber, wo das
Studium der Handzeichnungen grosser Meister nebenherläuft neben
unseren eigenen Studien nach der Natur, wird es nicht nur keinen
Schaden anrichten, sondern Nutzen stiften, weil es uns tausend Irrwege
ersparen hilft und unsere persönlichen Erfahrungen durch die mannig-
faltigen Erfahrungen anderer bereichert und ergänzt. Nichtsdestoweniger
ist das Zeichnen nach Vorlagen selbst nach Meisterhandzeichnungen
als regelmässige Aufgabe der Volksschule oder der höheren allgemein-
bildenden Schulen auszuschliessen, dagegen dem Privatfleisse stark
begabter Schüler zu ihrer rascheren Förderung zu empfehlen, um so
mehr als die heutigen graphischen Künste die Handzeichnungen grosser
Meister in bewunderungswürdiger Treue wiederzugeben imstande sind.
 
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