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Kerschensteiner, Georg
Die Entwickelung der zeichnerischen Begabung: neue Ergebnisse auf Grund neuer Untersuchungen — München, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.27816#0490
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4?o

Die Entwickelung der zeichnerischen Begabung.

gehen zu lassen, damit er sich durchringe durch alle Schwierigkeiten
und auf eigenen Füssen stehen lerne. Der Erfolg ist aber, wie alle
Ausstellungen immer und immer wieder lehren, ein trostloser Dilet-
tantismus, der tausend Bäume zeichnet, aber keinen Wald, tausend
Haare malt, aber kein Fell, tausend Flächen gibt, aber keine Form.
Die Schüler bleiben wie ihre Lehrer am einzelnen haften. Nur
wenigen gelingt es, kraft ihrer unverwüstlichen Begabung, unter
grossem Zeitverlust über alle Schwierigkeiten hinauszukommen, und
dieses sind dann die beliebten Beispiele für die Zweckmässigkeit dieses
ewig tastenden Lehrverfahrens.

Die zahlreichen Versuche, die ich in unseren Schulen habe
anstellen lassen, beweisen aber, dass es sehr wohl möglich ist, von
vornherein den Weg der grössten Einfachheit zu gehen, wenn nur
der Lehrer ihn vorher gefunden hat. Dabei ist freilich für die Mehr-
zahl der Schüler zunächst eine feste Anleitung notwendig, die eine Zeit
lang der überwiegenden Zahl der Schülerarbeiten den Charakter einer ge-
wissen Manier gibt, die dem Lehrer eigen ist und die der Schüler lernt.
Auf die Darstellung eines Gefässes etwa-durch einen einzigen Licht-
ton oder durch einen einzigen Schattenton auf farbigem Papier oder
durch gleichzeitige Verwendung von Licht- und Schattentönen unter
Benützung der Papierfarbe als Lokalton werden die Schüler in der
ersten Zeit des Zeichnens sicher im allgemeinen nicht kommen,
ebensowenig wie auf die Trennung der Flächen eines Körpers durch
charakteristische Oberflächenlinien, die sie selbst zu finden haben.
Der Lehrer wird ihnen dazu Anweisungen geben müssen, und infolge-
dessen werden die Zeichnungen einer Klasse die Manier des Lehrers,
solche Dinge in ihrer Gesamterscheinung durch die einfachsten Mittel
darzustellen, in der ersten Zeit zweifellos aufweisen. Aber Manieren
haben ist wesentlich verschieden von manieriert sein. Fast alle
grossen Künstler der Renaissance hatten in ihrer Jugend die Manieren
ihrer Meister, Albrecht Dürer die Manieren Wohlgemuts, Raffael
die Manieren Peruginos. An den Manieren ihrer Meister sind sie
emporgestiegen, bis ihre Künstlerindividualität die Flügel entfaltete
und sie weit über die Höhe ihres Kleisters hinaustrug. Hat aber
einer keine Individualität, so ist es immer besser, er arbeitet in der
Manier des Meisters sein Leben lang fort, als dass er mit dem trost-
losen Dilettantismus seiner mangelnden Begabung sich und die
Menschen quält.

Zweck der Eine zweite Forderung, die die Kunst an den Zeichenunterricht

DaiStellung. ste|]tj }stj Jass wjr endlich aufhören, Zeichnen an sich zu betreiben.

Es gibt nur ein Zeichnen für einen bestimmten Zweck, für einen
 
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