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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Schulze, Otto: Die Bedeutung der dekorativen Malerei der Fläche im Heim: mit besonderer Würdigung der vorliegenden Abbildungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0061
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März-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 3Y.

rativen Malerei, wer mit einem Fenster im Raum gut zu
wirtschaften versteht, der wird sein eigener Dekoratör. Hat man
denn früher überhaupt den Ballast an Vorhängen gekannt?! und
doch waren die Räume viel traulicher und freundlicher! Die
Sonne leitete ihre goldenen Strahlen durch farbige Scheiben, viel
lustiges Spielwerk an bunten Reflexen auf Fußboden, wand und
Geräth werfend, das war eine unvergleichliche Dekoration, die
wir heute trotz aller Teppiche und ver-
hängten Fenstern nicht im Entferntesten
erreichen. Auf mich macht ein gutes,
farbiges Fenster einen ganz wunderbaren
Eindruck, wie ihn sonst nur die Natur
bei mir hervorruft. Und ich lasse die
Macht der farbigen Lichtfluthung oft über-
wältigend auf mich einwirken, wenn ich
durch die ehernen Hallen unseres Kölner
Domes wandele, gleich, ob in der Früh-
stunde, zur Mittagszeit oder mit einbrechen-
der Dämmerung und dies durch alle
Jahreszeiten. Ewig wechselnde Stim-
mungen und Farbenharmonien — und
doch steigen im Innern nur die gewaltigen
grauen Steinmassen der Säulen und Wände
empor, an sich schmucklos, mit Ausnahme
der figürlichen Plastik, aber übergossen mit
Farben von der Palette göttlichen Lichtes.

wie viel läßt sich durch Farbe er-
reichen unter Beseitigung manches Geräthes
und Gerümpels, und doch wie zaghaft
und rathlos stehen wir meistens der far-
bigen Dekoration gegenüber. Bei aller
Natur in der hohen Kunst so viel Un-
natur in den einfachsten Aufgaben der
Wohnungsausstattung. — In unseren Ab-
bildungen fehlt uns sogar die Farbe, aber
sie läßt sich hinzudenken, wenn wir die
kraftvolle Linienführung, das Sichere und
Bewußte der Zeichnungen, die uns die
weiteren Illustrationen bieten, ganz erfassen.

Da sind drei landschaftliche Vorwürfe des
jungen Münchener Meisters A. Glaser,
welcher dem Vorbilde Rudolf von Seitz
folgend, sich wie dieser die großen Alt-
meister Albrecht Dürer, Hans Burgkmair
und Albrecht Altdorfer zu seinem Studium
erkoren hat. Seine Darstellungen mit den
malerischen Fachwerkbauten und Rund-
thürmen erinnern an Nürnberg und die
Pegnitz, an Rothenburg ob der Tauber,
überhaupt an das von Gott gesegnete
Bayern. Das sind landschaftliche Motive
von märchenhaftem Reiz; Abbildung
Nr. 882 wohl ein Bauerngütchen, Nr. 883
ein Herrensitz, beide in schattigem Grün
gelegen, unter gleichem Himmel von der-
selben Sonne beschienen. Und nun erst
das entzückende Bildchen Abbildung 88H,

Platte eines Arbeitstischchens für Brandmalerei, aber auch sehr
wohl als Wandmalerei zu denken. Ein prächtiges Architektur-
und Genrebild in einer Kreisfläche mit ornamentalen Zwickeln
und Bordüre; der Dudelsackbläser im Walde, weltvergessen, wohl
nur er und die Thiere des Waldes lauschen der eigenartigen
Musik. — Die Kunst-Beilage I bietet uns Majolika-Wand-
fliesen von demselben Künstler. Für Badezimmer, Küchen oder
ähnliche Räume bestimmt, sind auch ihre Zeichnungen dem feuchten

Element entnommen; so die Mummeln, Schilf und Bummkeulen,
die Wassermühle, der sich behaglich tummelnde Delphin und die
aufs Land geworfenen Fische. Nochmals tritt uns der Künstler
mit einer entzückenden Wandmalerei in der Abbildung Nr. 886
entgegen. Als Lünettenfüllung für eine Weinstube gedacht, finden
wir in der sinnigen Komposition wieder die drei großen Sorgen-
brecher des Lebens: Weib, wein und Gesang, an der Säule der
Doppeldreieckstern, das Gastwirthszeichen,
und der feuchtfröhliche Jüngling, vielleicht
das — psandobjekt der Lindenwirthin. —
Liebliche Bilder sehen wir in den
Abbildungen Nr. 8fl s und 8fl2: Surports
für Schlafzimmer: Morgen und Mittag,
Abend und Nacht von E. Hollmann,
von welchem auch die große dekorative
Füllung, Abbildung Nr. 8fl3, „Herbst"
stammt. Der Scheidegruß der Schwalbe,
der Weinsegen von einem vom Himmel
steigenden Weibe gespendet — Gedanken
und Durchführung von frischem Wurf. —
Eine Extra-Leistung spendet uns die zweite
Kunst-Beilage: Ehrenbürgerbrief der
Stadt Karlsruhe, dem badischen München,
gemalt von Professor Hermann Götz,
Direktor der Kunstgewerbe-Schule daselbst.
Ein Blatt von ungewöhnlicher Feinheit
und Delikatesse, eine Kleinmalerei aller-
ersten Ranges, wie Direktor Götz dem
badischen Lande schon so manche geboten
hat. Das ist eine dekorative Kunstmalerei
im Sinne des Wortes, wie sie durch die
Kleinheit der Fläche gerechtfertigt erscheint,
aus einem Guß, von lieblichster Anmuth.
Der Schutzengel der Stadt mit seinen ro-
sigen Trabanten mit Füllhorn und Stadt-
wappen spendet dem Auserwählten die
Rechte und Segnungen des herrlichen
Karlsruhe. So mancher überladene Adreß-
Entwurf kann sich an dieser Musterleistung
Rath holen. — Den Schluß dieser statt-
lichen Reihe von Vorbildern macht Ab-
bildung Nr. 8fl8: eine Flügelthür mit
bemalten Porzellan-Füllungen in
frühen: Rokoko, entworfen und ausgeführt
in der König!. Porzellan-Manu-
faktur Meißen. Landschaft, Idylle und
Amoretten enthalten die Füllungen, welche
die Theilungen des Leistenwerkes angenehm
unterbrechen. Wir sehen daraus, welch'
vielseitige Möglichkeiten der Anwendung
der dekorativen Malerei geboten sind, es
kommt nur darauf an, daß ihr Wesen
richtig ersaßt wird und ihre Leistungen inner-
halb des gezogenen Rahmens sich unter-
ordnen. — Das eigentliche Wesen der
dekorativen Malerei ruht also in der Zeich-
nung sicher und kräftig aufgetragener
Konturen. Der Pinsel übernimmt die Rolle des Stiftes, der
Kohle. Für die Farbe, die niemals die Zeichnung, die Linien-
führung überschreien darf, ist die Erzielung einer mehr als slach-
reliesartigen Plastik verwerflich. Lichter und Schatten erfordern
eine strichweise Behandlung, wie solche z. B. bei der echten Glas-
malerei aus technischen Gründen bedingt ist, es ist die vollendetste
Malerei der Fläche, die Nebersetzung der plastischen Farbwirkung
in das Gebiet der Silhouette — Alles, was darüber hinausgeht,

Abbildung Nr. 888.

Fenstrp f. d. Johannis-Kirche in Darmstadt.
 
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