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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Walsch, Ignatz: Wohnungs-Arrangements in Mieths-Häusern, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0100
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Seite 70.

Illustr. kun st gewerkt. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Mai-Heft.

Mikroskopirtisch füllen je nach dem Beruf des Hausherrn den
übrigen Raum. Ist das Zimmer zu klein, um den Schreibtisch
frei in das Zimmer zu stellen, so gehört derselbe an die haupt-
wand oder „schräg über Eck". Ein über dem Schreibtische hän-
gendes großes Bild mit Dekoration füllt in letzteren: Falle den
oberen Theil der Ecke. — Um die Bücher vor Staub zu schützen,
bringt man vor den Repositorien auf Ringen schiebbare Vorhänge
an. Diese Vorhänge können einen wesentlichen Schmuck bilden,
wenn man dieselben aus Tuch fertigt und in Maschinenstickerei
(Applikation oder Bekurbelung) bestickt find. Einfacher Teppich-
ftoff als Vollbelag ist
auch hier angebracht.

Den Gipfel prak-
tischer Ausstattung er-
reicht das amerikanische
Arbeits-Zimmer. Der
Schreibtisch (curtAin
äesR) bietet verschließ-
baren Raum für all die
Kleinigkeiten, die sonst
frei auf dem Tische lie-
gen; in dem mit vielen
kleinen Schüben und
Fächern versehenen Auf-
sätze lassen sich Vor-
räthe aller erforderlichen
Schreibmaterialien un-
terbringen. Durch Zu-
ziehen der Rolllade sind
sämmtliche Fächer des
Schreibtisches auf ein-
mal geschlossen. Es
wäre wünschenswerth,
daß dieses praktische
Stück, das von einzelnen
amerikanischen Firmen
bereits nach Deutschland
importirt und, soviel
uns bekannt, auch von
einer deutschen Firma
in den Handel gebracht
wird, bald weitgehende
Verbreitung auch in
Deutschland fände. Ge-
rade so praktisch ist der
drehbare Bücherschrank,
die Schreibsessel und die
Registrirapparate, die
in Thicago vielfach aus-
gestellt waren. Das sind
Stücke, bei denen sich
bequeme Anordnung
sehr wohl mit gefchmack-
voller Form vereinen
läßt. Für Klebergardinen und Möbelbezüge ist in: Arbeits-Zimmer
ein recht ruhiges Muster geboten.

Werfen wir nun einen Blick in das Schlaf-Zimmer. Der-
jenige, der bedenkt, daß er fast die Hälfte seines Lebens im
Schlaf-Zimmer zubringt, wird sicherlich der Wahl dieses Zimmers
erhöhte Aufmerksamkeit zuwenden. Wir verzehren mit jedem
Athemzuge Hs Liter Luft, in 8 Stunden etwa 3000 Liter, deshalb
muß das Schlaf-Zimmer groß und luftig sein. Wände mit Gel-
farbenanstrich sind verwerflich, weil sie die für Schlaf-Zimmer
wichtige Mauer-Ventilation verhindern. Schädlich sind auch die
großen Betthimmel, welche Mengen von Staub ansammeln, und

eine gründliche Reinigung des Raumes, die nach Krankheiten
häufig erforderlich ist, erschweren. Will man die Wand hinter
den Betten dekoriren, so bringe man einen Wandteppich mit ein-
facher Drapirung an, die leicht abnehmbar ist. In einfacheren
Schlaf-Zimmern bespannt man die Wand hinter den Betten mik
Satin und hängt darüber einen breiten Store, der oben drapirk
ist. Vor die Betten stellt man ein Ehaise longue mit Lesetischchen.
Im klebrigen werden ja Schlaf-Zimmer ziemlich gleichmäßig
möblirt. Helle freundliche Farben, leichte Lretonnes oder Woll-
stoffe, unter denen sich besonderer Beliebtheit die Louis XV. unk

Louis XVI.-Stoffe er-
freuen, kehren in jedem
besseren Schlaf-Zimmer
wieder. Ausschließlich
Gebrauchs-Zimmer,soll
dasSchlaf-Zimmer ohne
Prunk bequem und trau-
lich ausgestattet sein.
Ein reichlich warmer
Bodenbelag außer den
Bettvorlegern ist unbe-
dingt nothwendig.

Eine Besprechung der
untergeordneten Räume
wie Küche, Fremden-
Zimmer rc. dürfte außer-
halb des Rahmens die-
ses Aufsatzes liegen, da-
gegen wollen wir einige
allgemein gültige Ge-
setze nicht unerwähnt
lassen:

Der Hauptplatz im
Zimmer gebührt dem
Möbel, welches dem
betreffenden Raume die
Bestimmung verleiht,
in: Speise-Zimmer das
Büffet, im Salon die
Polstergarnitur, im
Schlafzimmer dieBetten.
Um diese Hauptstücke
gruppirt sich das übrige
Mobiliar des Zimmern
unter Berücksichtigung
der Vertikallinien im
Tapetenmuster und der
Gesetze der Symmetrie
und Proportion, jedoch
unter Vermeidung pe-
dantischer Gleichmäßig-
keit. Schreibtische müssen
das Licht von links er-
halten. Spiegel dürfen
kein direktes Licht haben, weil der Belag dadurch auszehrt. Viel-
mehr soll immer der Beschauer in: Lichte stehen. Bei Ruhebetten
und Ehaise longues muß das Kopfende den: Lichte zugewendet
sein, damit nicht dem Ruhenden das Licht in die Augen fällt.

Der Geschmack ist in Deutschland schon seit Jahren in einem
Läuterungsprozesse begriffen und in immer weitere Schichten des
Volkes dringt der Sinn für das Schöne. Die Wirkung der allge-
meinen Geschmacksverbesserung trägt auch bereits ihre Früchte in
den künstlerischen Formen der Produkte deutschen Gewerbefleißes.
Die Weltausstellung von Chicago war ein glänzender Beweis für
den Fortschritt des deutschen Kunstgewerbes und der größte Theil

Abbildung Nr. Y2Z. Kamin-Eckq in einen: Billardsaal in Bungay. Arch. Beruh. Smith.
 
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