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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Kramlinger, Hans: XI. Wiener Möbelindustrie-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0160
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Seite P8.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

August-Heft.

trifft, so war man Heuer zum ersten Male darauf bedacht, eine
einheitliche Aufstellung und Dekorationsweise durchzuführen, was
wohl nicht ohne Kämpfe mit einzelnen Ausstellern abging, die
durchaus ihre Interieurs nach Außen mit ihren berüchtigten
„orientalischen" Stoffen abschließen wollten.

Von den früheren Ausstellungen her ist bekannt, wie ge-
schmacklos für den Gesammteindruck eine Flucht von Interieurs
wirkt, deren einzelne Stirnseiten mit ganz und gar nicht harmo-
nirenden, vielfarbigen Stoffen und Teppichen dekorirt sind — der
reinste türkische Bazar!

Dank der Bemühungen des Ausstellungs-Architekten, Herrn
Professors Feldscharek, ist es gelungen, Heuer eine ebenso einheit-
liche, wie wirkungsvolle Gesammtdekoration durchzuführen; selbe
bewährt sich vortrefflich und gibt der Ausstellung ein vornehmes
Aeußere. Als weiterer Fortschritt kann bezeichnet werden, daß

Abbildung Nr. Y87. Interieur mit Gitteriverk.

man Heuer bestrebt war, in das frühere, den Beschauer ungemein ^
ermüdende Einerlei der in einer langen Front unausgesetzt auf-
einander folgenden Interieurs dadurch Abwechslung zu bringen,
daß man Kojen mit solchen Fabrikate einschob, welche im wei-
teren Sinne ja auch zur Wohnungseinrichtung gehören, so z. B.
eine vollständig gedeckte Tafel für 2H Personen seine Kollektiv-
Ausstellung von vier Wiener Firmen), Porzellangegenstände, Kunst-
schmiedearbeiten, Glasgefäße rc. rc.

Wollte man von einer herrschenden Stilart in unserem Kunst-
gewerbe sprechen, so würde dies eigentlich unmöglich sein; jeder
Zweig des Kunstgewerbes hat seine Stilart, die er bevorzugt.
Luxusmöbel sind im Barock oder Rokoko ausgeführt, vergebens
würde man etwa nach einem Schmuckkästchen in Renaissance suchen;
höchstens findet man einige solche Schränkchen im „englischen" Stil,
weiß lackirt mit Goldlinien, deren „englischer" Stil aber nur darin
besteht, daß die einzelnen Fächer und Schubkästen gezwungen un-
regelmäßig vertheilt sind und die Füße dieser unglückseligen Möbel
an der Schwindsucht zu leiden scheinen. — Die Renaissance hat

hier wohl schon lange die Führerrolle im Kunstgewerbe verloren,
in ihre verlorene Herrschaft theilen sich jetzt die Barocke und das
Rokoko, sowohl in Zier- als auch Gebrauchsmöbeln, nebenbei
scheint sich der englisch-gothische Stil in Gebrauchsmöbeln, also
vorwiegend Speise- und Schlafzimmereinrichtungen einen Platz
erobern zu wollen. Am nicht zu fernen Horizonte taucht auch
das Empire auf, einstweilen jedoch nur schüchtern und nicht gerade
in den geschmackvollsten Formen. Hat man sich an das Runde,
Geschmeidige der Barocke gewöhnt, wird man von den versteiften
Formen des Empire unwillkürlich abgestoßen. Eine kleine Statistik
der ausgestellten Interieurs nach den Stilarten ist nicht so un-
interessant. 28 Interieurs sind barock oder in Rokoko, k s Interieurs
in Renaissance, H im englisch-gothischen Stile und einzelne, sowohl
Holz- als Polstermöbel im Empire. Dem Zwecke nach bestehen
diese H8 Interieurs aus sH Schlafzimmern, p Speisezimmern,

5 Boudoirs, 2 Herrenzim-
mern, einigen Badezim-
mern , 2 altdeutschen

Bauernstuben, mehreren
Salons etc. Sehr originell
sind die 2 Bauernstuben,
die eine aus Zirbelholz mit
Brandmalerei und großen
schmiedeeisernen Beschlä-
gen ; die andere aus Eschen-
holz mit verschiedenfarbi-
gen Beizungen und Brand-
malerei. Das bei den weit-
aus ineisten Holzmöbeln
zur Verwendung gekom-
mene Material ist ameri-
kanisches Nußholz, Eichen
und Mahagoni nur in ver-
einzelten Fällen. Ein Schlaf-
zimmer aus gedämpftein
Birnbaumholz wirkt durch
die fleischfarbigen Töne des
Holzes sehr eigenthümlich,
jedoch nicht unschön. Das
Bambusrohr ist in einer
Kollektion diverser Luxus-
möbel vertreten. Eine Ver-
golder-Firma hat reiche
kleine Fantasie-Garnituren
ausgestellt, alles in: Rokoko.

Siehe erläut. Text. Bei einer derselben ist das

Holz fleischfarbig lackirt
und vergoldet, der Seidenstoffbezug mit matt Fraisegrund und
Körbchenmustern in stumpfen Farben. Bei der zweiten Boudoir-
garnitur ist das Holz altbraun lackirt mit theilweiser Vergoldung,
der Bezug gestreifter Seidenstoff mit Blumenguirlanden und zarten,
lichtgrünen Moiröestreifen.

Unterziehen wir nun die Tapezierer- und Dekoratörarbeiten
einer Betrachtung, so finden wir ausschließlich Dekorationen und
Polstermöbel in Louis XIV., Louis XVI. Verschwunden sind
mit der Renaissance in den Holzmöbeln zugleich die dunklen,
schweren Vorhänge, verschwunden die Divanüberwürfe aus per-
sischen oder anderen Teppichen, verschwunden die Fauteuil- und
Puffbezüge mit echten oder imitirten „Kameeltaschen". Die Siöge
ist heute modern, ebenso der abgepaßte Gobelinstoff. Seidenstoffe
in fraise oder resedagrün, einfarbig oder gestreift mit blaß-crsme
Futter werden hauptsächlich zu Fenster- und Thürdekorationen ver-
wendet. Auch die Seidensammte und Plüsche finden für Bourls's
starke Verwendung. So haben wir z. B. ein Schlafzimmer in
Louis XVI., die Dekoration des Bettbaldachins besteht aus
 
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