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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 3.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8033#0090
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Anlage nicht verwischen könneiu Noch lieute blicken uns dreigethcilte
Spitzbogenfenster mit Säulen an; am Matmarkt sitzt noch ein zierlicher
gothischer Lrker, die Zinnenkränze werden von je zwei achteckigen Bastion-
thurmchen slankirt, die dein Gauzen den trutzigen, markigeii Lharakter
gebeiu Aaum ein zweites Bürgerhaus besitzen wir aus dem Iahrh.
auf deutschem Boden, das den Drang der Zeiteu wiederspiegelt, in dem
Alles drunter und drüber ging, und sich Ieder seiner lsaut wehren
mußte, wenn er nur irgend Ltwas sein Ligen iiannte. Aber daneben
kann auch uuser Aunstgefühl aus den altersgrauen, unverwüstlichen
Akauern Nahrung saugen, die uns zeigen, wie im Gcgensatz zu der
spielenden Aunst des Scheins unserer Zeit auch allein mit Alassew
vertheilung und spröder lserbe eiue unnbertressliche Wirknug erzielt
werden kann.

Nach diesen kurzen lvorten wird es begreiflich, wie sehr wir
die vernichtung eines solchen Bauwerks beklagen müßten. lvir können
nicht eindringlich genug den Standpunkt sesthalten, daß heute die Zeiten
vorüber sein sollten, in denen jedes Giiizelneii lvillkür alte Aunstwerthe
der vernichtung sdreis geben konnte, iu denen eine Goslarer Bürger-
schast ihren Dom abbrechen, eine Nürnberger Stadtverwaltung ihre
lllauern und Thore einreißen konnten, ohne daß ein Schrei der Ent-
rüstung durch die ganze gebildete lvelt ging. Aber daß wir doch recht
häufig Gelegenheit haben, trotz all' der Denkmalspfiege und -Aufnahme
einen drohenden Fall an's Licht der Beffentlichkeit zu bringen, zeigt
uns, wie weitab wir noch dem Ziele sind. Daß jedem Deutschen der
Gedanke in Fleisch und Blut liegen soll, ein altes Aunst- oder Bau-
werk wie seinen Augaxfel zu bewahren. Denn wir haben nichts
Besseres an die Stelle zu setzen. Die Summe unserer Kunstlcistungen

wird vcrmuthlich mehr in eiuer Inventarisirung und lverthschätzuug
des Alten als in eigenen großen Schöpfungen liegen.

Gerade Regensburg birgt in seinen lllauern mehr, als der Fremde
ahnt, der die Stadt flüchtig mit dcm Dampfroß durcheilt, ohne ihr
cinige stille Stundeii zu widmen. lvelche Fülle von schönen, mittcl-
alterlichen Bauten romanischer und gothischer Aunst dort uns noch
überkommen ist, zeigt uns ein vortreffliches Lichtdruckwerk, dessen erster
Baud kürzlich von Gtto Aufleger^) in München herausgegeben ist.
Das lverk schließt sich in der äußeren Form und der gediegenereii
künstlerischen Lrscheinuug seinen verösfentlichungen über die bayerische
ltuust des vorigen Iahrhunderts wiirdig an. In dem erschienenen
Bande sind neben Details aus Airchen (Dom, St. Emmeran, St. Iacob)
und vom Rathhause auch zwei Blätter über eiu jdrivathaus (das
Pelikanhaus aus der Aeplerstraße) enthalten, die das Lharakteristische
dieser Thurmbauten wirkungsvoll wiedergeben. ^offentlich bringt
uns der zweite Band auch eine lviedergabe des Goliathhauses, um
es auf alle Fälle der vergessenheit zu entreißen. Auch auf den be-
gleitenden Text von vr. lsager, der mit dem zweiten Theile erscheinen
soll, dürfen wir gespannt seiu, da er uns voraussichtlich mauche inter-
essante Anfkläruug über unverstäiidliche dunkle Stellen der Bauwerke
gebeu wird, deren auch die alteu Regensburger nicht wenige enthalten.

Dem gefährdeten Geschlechterhause wünschen wir aber aus dem
augeiiblicklichen Sturme eiue glückliche Lrrettung und eiue läugere zu-
künstige Lebensdauer als uns Allen zusammen. M

') Gtto Ausleger, lllittelalterliche Bauten Regensburgs. lNit
geschichtlicher Einleitung von vr. G. ksager. I. Bd. Folio. 25 Licht-
drucktaseln. L. lverner's verlag, München.

Keük LWglasMitkn

u dem von uns Seite 62 (kseft s) unter obigem Titel ge-
brachten Artikel sendet uns ein lNitarbeiter folgende Auf-
klärung, der wir behuss richtiger Zusprechung des künst-
lerischen verdienstes gerne Raum geben:

Beim Durchblättern Ihrer Nr. 6 finde ich eiueii kurzen
Aufsatz mit Illustratiouen, betitelt „Neue Lichtglasarbeiten", in denen
von „Zitzmann'schen Gläsern" die Rede ist. Ls wird darin gesagt,
Zitzmann habe „auf Anregung" des Malers uud Radirers Aöpping
in Berlin Gläser eigenen Lharakters gemacht, und „damit in der That
Neues geschasfen, zum Teil allerdings unter dem Einfluß des genann-
ten llkalers". — lvollen Sie mir als Ihrem Mitarbeiter gütigst ge-
statten, Sie hierbei auf Folgendes aufmerksam zu machen.

lvenn auch durch Nennung Uöpping's das Besitzrecht Zihmann's
an deu Gläsern bis zum gewissen Grade eingeschräukt wird, so mnß
doch in dem Leser des Anfsatzes der Glauben entstehen, bei der lher-
stellung der Gläser sei der wesentliche Antheil Iitzmann zugefallen.
Der Sachverhalt ist anders. Aöpping ist einzig und allein als Lrfinder
und künstlerischer Schöxfer dieses neuen Genres zu bezeichnen. Unter
seinem Namen sind Gläser dieser Art zuerst in dem Salon v'^.rt Aou-
veuu in Paris, im lliarsfeldsalon und gegenwärtig im Uuustgewerbe-
museum zu Berlin ausgestellt nnd in verschiedeneu namhaften in- und
ausländischen Ieitschriften von mir und Anderen besprochen worden. —
Und dies mit Rechtl — Iitzmann's Antheil an der Sache war lediglich
der eines sehr geschickten Arbeiters. lllan ginge bereits zu weit, wollte
man Iitzmann etwa die selbständige Ausführung von Ieichnungen
und Ideen zuschreiben, die ihm von Uöxping gegeben wurden. Uöp-
xing's Production bezog sich vielmehr nicht allein auf die Feststellung
der Form und die ganz individuelle Lombination der Farben; er war
auch an der eigentlichen technischen Aussührung höchst wesentlich be-
theiligt. Zunächst leitete er in jedem Augenblick die lhänd des
Arbeiters; dann aber wurden die lllaiiipulationen, die zur Lrzielung
der wechselvollen Färbungen, eines lsauptreizes der Gläser, nothwendig
sind, ganz allein von ihm ausgeführt. Lr hätte auf diesem Gebiet
nicht die außerordentliche, techuische llleisterschast erwerben können,
wären ihm nicht dasür eingehende xraktische Lrfahrnngen zur ver-
sügung gewesen, das Resultat jahrelanger Studien, die er srüher als
Lhemiker getrieben hat.

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Nun glaube ich aber iu den den genannten Aufsatz be-
gleitenden Illustrationen nicht Uöpping'sche Gläser, sondern Nach-
ahmungen zu erkennen, deren Lxistenz ich unlängst erst durch ihr
Lrscheinen in der Auslage eines größeren hiesigen Luxusgeschästes
erfuhr. Diese sind in der That Zitzmann's Ligenthum, soweit man
die bewußte Nachahmung der werke eines Anderen Ligenthum nennen
kanu. Professor Uöxxing hat Iitzmann, der sich bis dahin lediglich
mit der Reproduction venetianischer Formen befaßt hatte, als Arbeiter
bei der Fertigung seiner neueu Gläser verwendet und die Arbeit der
lhöhe der Zitzmann'schen Forderungen entsprechend vergütet, d. h. un-
mittelbar nach Fertigstellung der Stücke und zu einem Satz, bei dem
Uöpping nur, wenn der verkauf ganz glänzeiid gelang, auf seine
Rechnung kommen konnte. lvährend dieser Thätigkeit hat sich der
Arbeiter die Uenntniß der Formen und Lolorirungsverfahren zu eigeu
gemacht und sie sxäter wider wissen und willen des Lrfinders, trotz
seines Versprechens, diese specifischen Lrsahrungen anderen Brts nicht
anzuwenden, für eigene Rechnung verwerthet.

Die Folgerungen aus diesen Thatsachen ergeben sich von selbst.
Die Bedeutung der Uöpping'schen Gläser steht bereits sest. Die Zahl
der Uünstler, die unser degenerirtes Uunstgewerbe zu befruchten ver-
suchen und dazu fähig sind, ist — zumal in Deutschland — so gering,
daß das Interesse besteht, einem Uünstler, den wir zu unseren besten
zählen, nicht die Lust-zu nehmen, auf dem glücklich beschritteiien, schwie-
rigen Pfade weiterzugehen, sondern ihm den höchst berechtigten Schutz
seiner ideellen und materiellen Intercssen zu gewähren, den litterarische
Initiative zu geben vermag.

Ich darf wohl annehmen, daß Sie sich, sehr geehrter kserr, dieser
Ansicht anschließen und in Ihrem sür kunstgewerbliche Interessen
maaßgebenden Brgan von dieser Berichtigung Notiz nehmen. Sie
würden mich verbinden, wenn Sie für diesen Iweck diesen Brief
benutzen wollten, für den ich selbstverständlich volle verantwortung
übernehme.

Ich empfehle mich Ihnen mit dem Ausdruck meiner vorzüglichen
lsochachtung.

Lrgebenst

I. Meier-Graese.

-o.
 
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