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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 23.1873

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Schmädel, Josef von: Ueber die Weltausstellung in Wien i. J. 1873, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9048#0035

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2

einfach nur die Quantität, ohne auch der in diesem Falle, wo es
sich um die Repräsentation des Reiches handelte, viel wichtigeren
Qualität die absolut nothwendigen Rücksichten angedeihen zu lassen.
Das mochte vom juristischen Standpunkt aus recht logisch und herz-
erfreuend sein, vom praktischen Gesichtspunkte aber betrachtet, war
es ein Mißgriff, der nach den traurigen Erfahrungen im Jahre
1867 um jeden Preis hätte vermieden werden müssen.

Dazu kam dann noch die unglückliche, schon in meinem ersten
Berichte besprochene Ausführung der Annexbauten, welche alles
eher ermöglichten als eine klare und übersichtliche Aufstellung der
Objekte. Sie leiden an demselben Fehler, welcher sich durch unsere
ganze Ausstellung hindurchzieht, nämlich daran, daß sie durch die
Art und Weise ihrer konstruktiven und ästhetischen Behandlung
statt den Ausstellungs-Gegenständen eine passende und wirksame
Folie abzugeben, dieselben vollständig erdrücken und wirkungslos
machen. An demselben Fehler leidet das Hauptportal und ganz beson-
ders auch das Arrangement des Haupttcanseptes, sowie viele andere
Parthieen der industriellen Abtheilung. Es würde zu weit führen,
all diese Miseren breit zu treten. Sie sind die natürlichen Folgen
der unglücklichen Zusammensetzung unserer Reichs-Commission, welche
größtentheils aus Elementen kombinirt war, die recht gute Juristen
sein mögen, von dem Arrangement einer Ausstellung aber auch
nicht die blasse Idee besitzen. Dazu kani dann noch das von dieser
Seite beliebte diktatorische Auftreten, welches die einzelnen bestehen-
den Landes-Commissionen zu wenig beneidenswerthen Rollen und
zu einflußloser Unthätigkeit verurtheilte, was jetzt erst klar zu Tage
tritt, wo es sich herausstellt, daß unsere Aussteller außer ihren
Produkten nicht nur Schrank und Platz sondern auch noch die von
der Reichs-Commission gemachten Mißgriffe zu bezahlen haben,
ohne daß bisher von der Landes-Commission irgendwie die erfolg-
reiche Verhütung solcher Ungerechtigkeit ermöglicht worden wäre.
Doch ist es besser, über diese ganze traurige Angelegenheit zu schwei-
gen und anderseits auch das ins Auge zu fassen, was lobenswerth
hervorgehoben werden muß, obgleich die betreffenden Herren sehr
wohl zu sorgen wissen, daß keine ihrer Leuchten unter den Schüssel
gestellt wurde, und in so fern die Belobung von ganz unberufener
Seite einen noch viel unberufeneren Anstrich erhält.

Es ist vor Allem der amtliche Katalog der Ausstellung des
deutschen Reiches, welcher mit Ausnahme des leider so mangelhaft
behandelten Thciles der bildenden Kunst außerordentlich instruktiv
und zweckentsprechend ist und vielen andern Ländern zum Muster
dienen könnte. Außerdem ist sehr rühmenswerth hervorzuheben
die Schaffung eines deutschen Versammlungshauses, welches inmitten
reizender Anlagen innerhalb des nordwestlichen Hofes der Rotunde
gelegen, für viele deutsche Besucher einen willkommenen Ruhepunkt
und mit seiner praktischen Einrichtung für Korrespondenz und Con-
versationszwecke einen gar angenehmen und anziehenden Versamm-
lungsort bietet. Sehr hervorzuheben ist ferner das Arrangement
der Ausstellungsobjeite des Berg- und Hüttenwesens sowie der
landwirthschaftlichen Abtheilung. Hier ist der Eindruck überall ein
bedeutender und großartiger. Jmponirend ist auch der Pavillon
für die Ausstellung der Gußstahlfabrik von Fr. Krupp in Essen,
für deren grandiose Wirkung allerdings nicht der Reichscommission
ein besonderes Lob gebührt, die ich aber doch an diesem Platze an-
führe, weil sie eine der wenigen Parthieen ist, die ohne Beifügung
eines Tadels und mit berechtigtem Stolze genannt werden kann.
Es sind fast durchgehends Geschütze größten Kalibers, welche hier
zwar eine stumme, im Hinblick auf ihre Bestimmung aber doch recht
beredte Sprache führen.

Wer diese Zerstörungsmaschinen betrachtet, den wird nicht allein
ein angenehmes Gefühl nationaler Sicherheit durchdringen, sondern
der wird auch mit Befriedigung sagen können, daß es sich hier
nicht um einen Triumph roher Gewalt handelt, sondern vielmehr
um einen Triumph des menschlichen Geistes.

Eine Nation, die solche Maschinen zu ihrer Verteidigung
schafft, ein Volk, das den Kampf ums Dasein im Falle der Noth
mit solchen Hülfsmitteln zu unterstützen weiß, kann sich getrost von

seinen gedemüthigten Feinden zu Barbaren stempeln lassen, denn
dieselben Faktoren, welche die Schaffung dieser fürchterlichen aber
nothwendigen Hülfsmittel der Sllbsierhaltung ermöglichten, sind
auch die Grundpfeiler aller Cultur und Civilisation, und heißen
Wissenschaft und Arbeit.

Da der Raum für meine Berichterstattung ein so knapp ge-
messener ist, und eine mehr aphoristische Behandlung sich daher von
selbst entschuldigt, so will ich au dieser Stelle auch noch in Kurzem,
um keinen wesentlichen Punkt außer Acht zu lassen, der Abtheilung
für Maschinen-Jndustrie Erwähnung thun. Sie zeigt recht klar
und eindringlich, daß es richtig ist zu behaupten, was ich in der
vorhergehenden Charak-erisirung unserer Vertheidigungsmittel aus-
gesprochen habe. Das Maschinenwesen Deutschlands kann sich ge-
trost jedem aller anderen Völker zur Seite stellen und derselbe
Fortschritt, welcher unsere Riesengeschütze kennzeichnet, bildet auch
ein hervorragendes Merkmal unserer industriellen Maschinentechnik.
Es ist dies die kühne Idee, das Eisen durch ein Material zu ver-
drängen, welches seinerzeit den sechsfachen Werth desselben hatte
und bis dahin nur in verhältnißmäßig kleinen Dimensionen herge-
stellt wurde, jetzt aber unter der Bezeichnung „Gußstahl" eine so
hervorragende Rolle spielt und so massenhafte Verwendung findet.

Ich will nun nach diesen gedrängten Andeutungen den eigent-
lichen Zweck dieses Berichtes näher ins Auge fassen und zu den Er-
örterungen über den Stand der deutschen Kunstindustrie übergehen.
Von selbst komme ich dadurch auf das noch unerwähnte Gebiet der
Kunst, denn sie ist es ja, welche der Industrie den Stempel höheren
Adels aufdrückt, und derselben die Impulse zu höchster Entwicklung
gibt. Natürlich kann derselben nur in gedrängtester Kürze als
solcher Erwähnung geschehen, indem ohnedieß gar manches Streif-
licht durch Besprechung der Kunstindustrie auf sie fallen wird. Es
ist vor Allem die deutsche Malerei, welche durch ihre glänzende
Produktion Zeugniß gibt von dem idealen Marke unserer Nation.
Wir können mit Stolz behaupten, das wir eine Kunst besitzen, die
durchaus selbstständig an echter Produktivität hinter der keiner an-
deren Nation zuruckbleibt. Frische und Unverdorbenheit, Naivität
wie tiefer Ernst und Größe der Empfindung, idealer Schwung und
lebhaftes Stylgefühl, das sind die Merkmale, welche klar und deut-
lich aus ihr sprechen. Es ist diese Thatsache um so erfreulicher,
weil die neueste Zeit in Deutschland nirgends hervorragende Kunst-
mäcene von wirklich eingreifender Bedeutung aufzuweisen hat und
weil die Kunst sogar denen, welche vorzugsweise zu ihrer Pflege
berufen wären, nicht nur in ihrer Bedeutung unverstanden bleibt,
sondern von ihnen, wie es scheint, geradezu als überflüssig für die
nationale Entwicklung unseres Volkes betrachtet wird. Darum ist
auch der Glanzpunkt derselben gegenwärtig nicht in der monumen-
talen Sphäre, sondern vielmehr in den profaneren Gebieten der
Malerei zu suchen und zu finden. Ist es nun allerdings eine sehr
lebhaft zu begrüßende Erscheinung, daß sich die Kunst einer so her-
vorragenden Protektion des Privatmannes, des Bürgers zu erfreuen
hat, so ist es doppelt traurig, daß der berufene Repräsentant höch-
ster Intelligenz, nämlich der Staat sich dieser Verpflichtung so
wenig bewußt ist, und bei jeder Gelegenheit in ihrer Erfüllung eine
so klägliche Unzulänglichkeit beweist. Dies ist auch der Grund,
warum es gerade um die eigentlich monumentalen Künste, nämlich
um die Architektur und Skulptur so außerordentlich schlimm bestellt ist.
Beide Künste repräscntiren sich auf der Ausstellung in einer Art,
welche den Mangel einer wahrhaft monumentalen Kunst auf allen
ihren Gebieten in der schlimmsten Weise erkennen läßt. Eine solche
Erscheinung gerade jetzt ist um so bedeutungsvoller, als kaum eine
Epoche der deutschen Geschichte und zugleich des deutschen Wohl-
standes zu verzeichnen ist, welche geeigneter zur Schöpfung groß-
artiger monumentaler und volksthümlicher Werke gewesen wäre wie
die gegenwärtige. Doch dieses Thema ist von berufenerer Seite be-
reits eingehend behandelt worden und ich will, mich begnügend mit
diesen kurzen Aeußerungen, etwas ausführlichere über die
nicht weniger wichtige Sparte nationaler Thätigkeit, nämlich die
Kunstindustrie, folgen lassen.
 
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