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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 23.1873

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Schmädel, Josef von: Ueber die Weltausstellung in Wien i. J. 1873, [2]
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Beschreibung der Kunstbeilagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9048#0037

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scheu übrig. Betreten wir auf der Ausstellung den Unterrichts-
Pavillon, so finden wir, daß eigentlich nur Süddcutschland und
zwar vor Allen Württemberg wirklich Nennenswerthes bisher ge-
leistet hat. Auch Bayern weist eine Reihe von Pflanzstätten für
Kunstindustrie auf, unter denen unser Kunstgewerbeverein eine her-
vorragende Stellung einnimmt, was auch durch die Verleihung des
Ehrendiploms und der Fortschrittsmedcille anerkannt wurde. Aber es
fehlt auch in Bayern im Allgemeinen die richtige und sachgemäße Unter-
stützung der leitenden Kreise. Ganz jämmerlich aber ist cs in dieser Be-
ziehung mit Norddeutschland bestellt. Wir finden hier keine einzige
derartige Schule von Bedeutung vertreten. Unsere Brüder im Nor-
den mögen mit allen Tugenden des Verstandesmenschen ausgcstattet
sein, sie mögen große Politiker, die besten Soldaten, bedeutende
Juristen, eminente Techniker u. s. w. sein, aber auf dem gesamm-
ten Gebiete der Kunst und ihren verwandten Sphären stehen sie an
Verständniß und Begabung weit hinter den Süddeutschen zurück.
Das kalte nüchterne Berlin ist die sprechendste Illustration zu dieser
Behauptung und die ganze Art und Weise der Jnsccnirung unserer
Ausstellung von dieser Seite der deutlichste Vcweis hiefür. Wir
haben uns völlig ihrer politischen Führung untergeordnet, mögen
sie dagegen dem süddeutschen Kunstsinne die ihm gebührende Be-
deutung einräumen. Gerade in der gegenseitigen Ergänzung der
verschiedenartigen Begabung liegt der Keim zur höchsten Entwicklung
unseres Volkes.

Doch wenn ich bisher' nur immer von den Pflichten des
Staates gesprochen habe, da in der mangelhaften Erfüllung dersel-
ben der Hauptgrund des Zurückbleibens unserer Kunstindustrie zu
finden ist, so bleibt nichts desto weniger auch unfern Industriellen
noch ein großes Feld unerfüllter Pflichten offen. Es ist bezeichnend,
daß auf der Ausstellung z. B. die englischen oder französischen
Firmen mit sichtlichem Stolze, in oft prächtiger Weise, die Namen
ihrer Künstler der Oeffentlichkeit vorführcn, während bei uns selbst
jene Aussteller, die vermöge ihrer gelungenen und nach Zeichnungen
hervorragender Künstler gearbeiteten Objekte keinen Grund zur
Verheimlichuug hätten, mit wirklich komischer Aengstlichkeit alles
vermieden haben, was auf die Idee führen könnte, als sei bei der
Schöpfung ihrer Produkte auch die Kunst zu Gevatter gestanden.
Es zeigt dies von einer Engherzigkeit und Beschränktheit, welche
gar viele in die Augen springende Mängel ohne weiteren Cowmentar
erklärlich macht. Es gibt bei uns so viele, viele Industrielle, welche
ohne Erröthen Ehrenbezeugungen aller Art empfangen für Dinge,
an denen sie oft so unschuldig sind, wie gewisse Thiere an der
Schöpfung der Welt. Es kommt ein Auftraggeber und bestellt einen
kunstgewerblichen Gegenstand von hervorragender Bedeutung, z. B.
ein Ehrengeschenk zu irgend einer öffentlichen Festlichkeit. Was
thut nun. dieser „Fabrikant in tausend Aengsten" ? Er läuft bren-
nenden Kopfes zum Künstler. „Hören Sie! das und das soll ge-
schaffen werden, um Gottes Willen eine Idee!" Der Künstler gibt
die Idee. „Ausgezeichnet, die Idee ist famos, aber jetzt vor Allem
die Form. Ich brauche einen Entwurf; Excellenz oder Durchlaucht
oder Hoheit rc. wünschen denselben." Der Künstler fertigt zu seiner
Idee den Entwurf. „Komme soeben von Sr. Excellenz rc. rc.
Alles genehmigt. Nicht wahr, Sie haben die Freundlichkeit Grund-
riß, Durchschnitt, Details rc. in möglichst kurzer Zeit zu fertigen
und mir mit Ihrem werthen Rath auch ferner zur Seite zu stehen!"
Der Künstler fertigt das Verlangte und nun gehts an die Ausführ-
ung. Da kommt nun der Bildhauer und fertigt die Modelle zu
dem figürlichen und ornamentalen Theil. Also wieder ein Künstler.
Dann kommt der Kunstgießer, der sich zum mindesten auch einbildet,
Künstler zu sein und trägt die Modelle in Metall über. Ist das
geschehen, kommt der Ciseleur, gewöhnlich wieder ein selbstständiger
Künstler und gibt der metallischen Form ästhetische Feinheit und
charakteristische Behandlung u. s. w. Haben die einzelnen Theile
dann den künstlerischen Prozeß durchlaufen, in den der Fabrikant
nur eingreift, um durch den gehörigen Druck auf die finanzielle Sparte
ein ersprießliches Minimum der Kosten zn erzielen, dann sucht ex
seinerseits bei der Montirung des Ganzen, wenn irgend möglich

noch einige Dinge eigener Erfindung, besonders aber die berühmte
Firma rc. anzubringen und gewöhnlich durch ganz verfehlte und
unverstandene Zulhaten einer allzu weitgehenden Vollendung die
gehörigen Schranken zu setzen. Ist endlich Alles vollendet, dann
bläht sich der Frosch auf, macht quack quack und bildet sich ein,
daß, weil er schreit, die Sonne scheine. Dann gehts los über den
unpraktischen Künstler, der sich mit Geduld die Haut abziehen läßt,
vergessen ist der Schöpfer der Idee, vergessen der Schöpfer der
Form und vergessen, daß der Erfolg gerade dem Theil zu verdanken
ist, an dem der Fabrikant den geringsten Antheil hat. Ja, ein
bischen mehr Verständniß, ein bischen mehr Dankbarkeit, ein bischen
mehr Gewisscnhastigb it in der Ausführung und etwas weniger Eigen-
dünkel, das wäre der großen Mehrzahl unserer Industriellen nicht
nur sehr ersprießlich, sondern auch sehr nothwendig. Die Indu-
striellen haben unter ihren Collegen leuchtende Beispiele, die sie sich
in dieser Beziehung zum Muster nehmen und' an denen sie lernen
können, daß die Achtung der Anderen der eigenen Achtung die
schönste Folie gibt. Besonders in neuester Zeit hat sich in dieser
Richtung vieles zum Besseren gewendet, und räumt erst die Indu-
strie der Kunst die ihr gebührende Stellung ein, dann wird sie an
ihr eine opfer- und schaffcnsfreudige Schwester finden, an der sie
nicht nur eine feste Stütze, sondern auch eine sichere Führerin
zur Vollendung haben wird. Mögen diejenigen Kunstindustriellen,
welche bereits mit richtigem Verständnisse die Wichtigkeit dieser
Taktik cingesehen und sie befolgt haben, in ihrem Streben fortfahren,
dann werden sie bald gehoben vom Erfolge, die Widerwilligen mit
sich ziehen und denn wird unser deutsches Kunstgewerbe wieder wie
im sechzehnten Jahrhundert eine Glanzepoche erleben, und so zum
Stolze der Nation werden. Diese Prophezeihung läßt sich ohne
Zagen aussprechen, wenn die auf der jetzigen Ausstellung so
sehr ins Auge fallenden Mängel von allen Faktoren richtig erfaßt
werden.

Der Staat hat zu sorgen, daß auf Praktischem Wege durch
Schaffung eines Musterschutz-Gesetzes und durch Errichtung und
Förderung von Schulen und Museen den unabweislichen Bedürf-
nisse der Gegenwart jeder nur erdenkliche Vorschub geleistet werde.
Unsere Fabrikanten und Industriellen aber sollen, den Geist der Zeit
erfassend, alte Vorurtheile beseitigen, mit Opferwilligkeit und natio-
nalem Celbstbewußtsein unaufhörlich an der Lösung einer so wür-
digen Aufgabe arbeiten und durch Respeltirung des geistigen Eigen-
thums den einzig richtigen Weg einschlagen, der unsere Kunst-
Industrie selbstständig und der deutschen Nation würdig machen
wird.

*

Beschreibung der Kunstbeilagen»

Heft 9. Blatt 1. Uhrgehäuse von Maler Anton S.'der.

Blatt 2. Schrank von A. Pössenbachcr.

Heft 10. Blatt 1. Tapetenmuster nach einem Fragment auf einem
Bilde Hans Holbeins, ergänzt von G. Bötticher, ausge-
führt in der Tapetenfabrik von E. Herting in Einbeck.
(Richtige Größe.) Der Grund tiefblau oder grün oder
roth. Die Ornamente darauf hellbraun mit Gold ge-
strichelt (theils senkrecht, theils wagerecht). Die fertige
Tapete wird unter eine Ripswalze gebracht, um ihr einen
stoffartigen Anstrich zu geben.

Blatt 2. Schlosserarbeiten von Faustner.

Redigirt unter Verantwortlichkeit des Redaktionsarsschusscs von Dr. Lichtenstein. — Kgl. Hesbuchdruckerei von vr. C. Wolf & Sohn.
 
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