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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. 4.1888/​95

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3. Heft
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Erklärung der Tafeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.26639#0039
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Nr. 21.

Erklärung der Taseln.


HierLrcNiL (Heilige Rangesordnung), und in la-
teinischer: 5ueer orclo principutus Lurictorum
(Heilige Ordnung der Vorsteherschaft des Heilig-
thums). Das Gesicht des Heiligen zeigt vor-
geschrittenes Alter, hohen Ernst, mitleidige Milde.
Statt der gewöhnlichen Mitra trägt hier St. Er-
hard den älteren Stirnbund von weißer Farbe,
wclcher ganz der priesterlichen Binde des alten
Testamentes conform ist, ein dichtes Byssusband
nämlich, wclches das Haupt wie eine Haube bis
aus die Stirne umschlingt und rnckwärts in einer
Schleife zusammengehalten ist. Auch daS dreieckige
Plättchcn von Gold auf der Stirne weiset hin auf
die sogenannte „Blume" an dcr Stirnc des alt-
testamentlichen Hohenpriesters, ein Plättchen von
reinstem Golde mit der Jnschrift: Lunctum Oo-
miiro (Heiliges dem Herrn)! Exod. 20, 36.

Der Diakon an der Seitc deö Heiligen, voll
heiliger Scheu dcm Altare sich nahend, ist bekleidet
mit Humerale, Albe, mit der Manipel, und mii
der Dalmatika von goldgelber Farbe, lang und mit
.Gold gesäumt.

Wir haben schon oben auf die Gebäude zu
Füßen des Heiligen gedeutet. Nichts liegt näher,
alS in ihnen Kirche und Kloster von Niedermünster
zu erblicken, die unter den besonderen Schutz ihreS
Gründers, St. Erhard, gestellt sein wollen. Zu-
nächst dem Altare sleht die Kirche, cin romanischer
Bau mit doppelthüriger Vorhalle, mit spitzem Giebel,
und von zwei runden Thürmen slankirt; daran
schließt sich das Klostcr mit schönen Thoren und
Thürmchen und Zinnenmauern ringsherum. Ob
hier die zwischen 947 und 955 gebaute Kirche ge-
meint sei, oder die schon vorher bestandene sammt
dem älteren Kloster, ist wohl nicht mehr zu ent-
scheiden; aber wir möchten, was die Formen be-
trifft, nicht Alles der Phantasie des Malers zu-
schreiben. s

Dieses ganze Znnenbild nun tritt gleichsam
hervor aus einer reichen Umrahmung von fein-
stylisirten, sarbenreichen Blättern. daran zu drei
Seiten noch gleichornamentirte Halbkreise, an der
vierten oben ein Kreis mit dem Lamme, und an
den vier Ecken kleine Quadrate mit Bildern auf
Goldgrund sich anfügen, nämlich rechts das Bild
der Abtissin mit der Aufschrist: Ooirmu ^.bbu-
tissu. Sie sitzt in violett-grauem Habit innerhalb
der Klostermauern aus einer Bank, demüthig gegen

(D. y___,___

das Lamm sich neigend. Jn dem Quadrate linkS
erblicken wir die. ausdrucksame symbolische Figur
der Frömmigkeit, mit der Ueberschrift: lUiricuc
piekutis ulleckus sder Asfekt wahrer Frörnmigkeit);
in dem linken Quadrate der unteren Seite das
Symbol der weisen Klösterzucht, eine Mutter mit
ihren Kindern, die sich a» sie schmiegen, ob sie die
Ruthe erhebt oder mit den Früchten in der Schale
lohnet; dic Schrift lautet: cliscretioiris kemperL-
meirkuirr (Wohlunterscheidende Mäßigung). End-
lich das Quadrat rechts eine Figur mit dem Regel-
buche und den Finger aus dem Munde: ciistric-
tioiris riZor (Strenge in Beobachtung der Regel).
Den Znsammenhang des Ganzen erklärt leicht ein
nochmaliger Blick aus das Lamm, und aus die Jn-
schrift, welche rings um die Breitscite der Um-
rahmung läuft. Das Lamm mit dreistrahligem
Nimbus hat die Ueberschrift: 7l.Anus Oei, und
klein zur Seite: cpui koliis peccutu irruircki,
irriserere irostri; im Jnncren deS Kreises: Lpoir-
sus VirAiirum (Bräutigam dcr Jungfrauen); es
hält ein geöffnetes Buch, darin wir lesen: viscite
u me, cjuiu mitis sum et Irumilis corcle, et
iirveirietis. (Lcrnct von Mir; denn Jch bin sanft
und demüthig von Herzen, und ihr werdet finden ...)
Mit dem Haupte wendet das Lamm sich der Abtissin
zu, der Lenkerin der gottgeweihten Jungfrauen, und
cmpsiehlt ihr die ebengenannten Tugenden einer
Bvrsieherin, indem es an sie die Worte richtet,
welche auf der Wandseite des Bildes in großen
Buchstaben stehen:

R.ectrix LAirurum, Lbristus tecum lopuor
r^Airus,

11t viribus suirctis stucleus virtutibus istis,
<Zuo se irec pietus penitus irsc irormu re-
clumet, d. i.

Christus, daS Lamm, Zch spreche zu dir, so da
leitet die Lämmlein,

Daß mit vercinigter Kraft du solchen Tugenden
nachstrebst;

Dann wird die Frömmigkeit nicht noch die Regel
etwas vermissen. —

So viel über den Jnhalt des Bildes. Die
Figur des Heiligen selbst ist, wie schon erwähnt,
in Mosaik in Lebensgröße für die St. Erhardi-
Krypta ausgeführt. Diese Krypta dürste so ziem-
lich das älteste kirchliche Bauwerk in Süddeutsch-
land sein. Sie ist ein längliches Viereck von 6

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