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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. 4.1888/​95

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6. Heft
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Das burgundische Messornat des Ordens des goldenen Vliesses in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.26639#0094
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10

Das burgimdische Meßornat rc.

Nr. 24.

Bürgern bevölkerten Städten nicht minder, als
die feinen Gewerbe und Künste, die zu Schmuck
und Putz, wie der Befriedigung eines gebildeten
Geschmackes dienen. Juweliere, Goldschmiede,
Emailleurs, Sticker, Gießer, Bildhauer und
Maler fanden am Hofe und beim reichen Adel
die ausgedehnteste Beschäftigung. Die Gold-
schniiede bildeten die stärkste Zunft. Die Kleider
wurden so sehr mit Perlen und Geschmeiden
überladen, daß der damalige Schriftsteller
iVlartial cks'^nvsrZms sagt, man harnische sich
mit Goldschmiedesachen. Die Rechnungen Herzogs
Philipps des Guten allein im Archive zu Lille
macben uns mit mehr als zweihundert Gold-
schmieden bekannt, die für ihn arbeiteten. Maler,
die theils Tafelgemälde fertigten, theils die
Handschriften mit Miniaturen schmückten, findcn
wir gegen 130; im Jahre 1468 allein lieferten
160 Maler Arbeiten für den Hof. Ebenso
waren fortwährend zahlreiche Sticker (brocksurs)
beschästigt, um die Kleidersäume, Fahneu, Pferde-
decken u. dglch. mit Gold und Silber zu be-
sticken und Kirchengewänder anzufertigen; be-
sonders berühmt war der Sticker Ibisrr^ cku
Elmstsl, der die Arbeiten im Großen leitete
und im Jahre 1454 attein 3000 Goldthaler
(ca. 20,000 fl.) dafür bezog.

Schon im Jnventar der Schätze Herzog
PhiliPPs vom Jahre 1420 erscheinen mehrere
vollständige Kapellen und viele Chorkappen,
Alben, Dalmatiken u. dglch. mit Figuren und
heiligen Darstellungen (Krönung Mariä, Passion,
jüngstes Gericht) in Stickerei; ebenso in den
späteren Hofrechnungen, aber nirgends fand ich
bisher cine Erwähnung unserer Paramente in
der k. k. Schatzkammer. — Schon das dritte
Ordenskapitel zu Dijon 1433 faßte den Be-
schluß, die Ceremonienmäntel der verstorbenen
Ritter zu verkaufen und von dem Erlös Ornate
und Tapisserieen für die Ordensfeste anzufchaffen.
Dieser Beschluß wurde im folgenden Jahre und
beim fünften Kapitel zu Lille 1446 erneuert,
endlich beauftragte das achte Kapitel zu Mons
1451 den Schatzmeister von dem Ordeusgeld
vier Chorkappen und andere priesterliche Ge-
wänder für die Ordenskapelle zu Dijon an-
fertigen zu lassen; der Souverain versprach da-
zu seinerseits vier Paare Aurifrisien. Ob diese
Gewänder die unserigen seien, ist fraglich, viel-
leicht führen weitere archivarische Forschungen

zu einem sicheren Resultate. Ein Umstand macht
sogar das Bedenken rege, ob unsere Ornate
wirklich speziell für den Vließ-Orden gemacht
worden seien und nicht etwa später als kostbare
Paramente aus dem Schatze für die Feste des-
selben gewäljlt wurden, — der Umstand nämlich,
daß auf keinem Stücke irgend eine Beziehung
zum Orden durch Anbriugung seines Abzeichens,
des funkensprühenden Feuersteines und des
Andreaskreuzes, oder seiner Devise: ?rstium
1g.b>oruiri non vils, oder der des Stifters
Philipp: iVIonjo/s d-aint ^.nckrisn, oder des
Ordens-Patrons, des heiligen Andreas, aus-
gedrückt ist, während eiue solche auf allen Ordens-
vbjekten in reichem Maße angebracht zu sein
pflegt. So viel geht aus dem Kunstcharacter
hervor, daß die Gewänder, deren Hauptwerth
in ihrer uuvergleichlichen Schönheit besteht, zu
einer Zeit, und zwar um die Mitte des
XV. Jahrhunderts, in der Blüthenperiode der
flandrischen Kunst gefertigt wurden, ohne Zweifel
nach Vorbildern (sartons) eiues hervorragenden
Künstlers, vielleicht von der Hand Johann's
van Eyck, der so viel für Herzog Philipp, bei
dem er Kammerdiener war, arbeitete, und mit
dessen notorischen Werken sich vielfältig eine
Verwandtschaft kund gibt, oder doch von einem
seiner vorzüglichsten Schüler (Rogier van
Brügge oder van der Weyde).

Die Technik der Stickerei ist bei allen
Stücken die gleiche; es sind nämlich der Quere
nach Goldfäden gezogen, welche paarweise mit
Flockseide überstickt sind; die Goldfäden bilden
so den Grund, während so die farbige Seide
die Zeichnung und Schattierung gibt. Jndem
die Schattenpartieen dichter überstickt sind, die
Lichter nur sparsam, werden letztere durch das
Gold gebildet, was einen eigenen Lustre hervor-
bringt. Die Fleischtheile sind dabei ausgespart
und mit vffener Seide im Plattstich gestickt.
Die Unirahmung der Bilder ist ebenfalls Gold-
stickerei in verschiedener Weise; ein feines Netzwerk,
Geflecht oder gewürfeltes Muster bildend. Die
Sticker — es laffen sich deutlich mehrere Hände
erkennen — mußten selbst Künstler sein, indem
sie mit der Nadel malen mußten, was bei den
vielen Farbmtönen und der vollständigen, zarten
Nüancierung, mit der die Figuren, die wie voll-
kommen durchgebildete Gemälde aussehen, aus-
geführt sind, ebenso Fertigkeit der Zeichnung
 
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