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Kissling, Hermann [Hrsg.]
Augustinuskirche und ehemaliges Augustinerkloster Schwäbisch Gmünd — Schwäbisch Gmünd, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.7443#0027
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Stuck der Kirche

Man spürt, daß schon in der Planung des Kirchenbaus
die Wirkungen des Stucks einkalkuliert, auch seine
Standorte mitbedacht wurden. Das überlegt gestreute
und zugleich konzentriert gesetzte Arsenal seiner
Elemente zeigt Muschel- und Wedelformen, gefie-
derte C- und S-Bögen, Blätter- und Blütenranken. Sie
sammeln sich immer wieder um Kartuschenmotive
mit geometrisch ausgelegten Binnenfeldern. Und das
alles in dem farbigen Dreiklang von Barockrot, Grau
und Gold vor weißem Grund. Trotz des formalen und
farbigen Reichtums haben diese Stuckaturen jedoch
wesentlich dienenden Charakter als rahmende, be-
gleitende und bereichernde Bestände der Bilder und
Architekturformen.

Zu eigenständigem Bild formieren sich die Rocaillen
im Deckenfeld überderEmpore.Dort im Zentrum das
zum Himmel erhobene Herz Augustins. Rocaillen
perlen wie helle Orgeltöne daraus hervor. Horn und
Trompete, Laute, Harfe und Posaunen sind in das Bild
hineinverwoben, das die göttliche Musik als Dienerin
des Glaubens verherrlicht. Es gipfelt in den geflügel-
ten Engelsköpfchen und einem Notenbuch, das zum
Anstimmen des Ambrosianischen Lobgesangs auf-
geschlagen ist: TE DEUM LAUDAMUS.

Ein weiteres Stuckbild bietet die von Engeln gehal-
tene und umschwebte Schriftkartusche des Chor-
bogens. Hier wird um den Beistand des Kirchenvaters
gefleht: MAGNE PATER DEPRECARE PRO
NOBlS AC SlNGVLIS - Großer Vater, bitt für
uns und jeden einzelnen. Der Text bildet mit seinen
großen Buchstaben ein Chronogramm, die Jahreszahl
MDCCLXXVIII (1758), ein Baudatum. Dieses Bild,
nicht weniger die Puttenschar auf dem Gebälk des
Chores, läßt die Fähigkeiten des Stukkators auch im
figürlichen Bereich erkennen, dazuhin sein Anliegen,
Plastisches gegen die Flächigkeit der Malerei zu
setzen. Als besonders qualitätsvoll zeichnet sich die
Dekoration in der Umgebung des Hochaltares aus,

wohl die Musterdekoration des leitenden Stukkators.
In kleinen Bildreliefs enden die Stuckgehänge der
Stichkappenkonsolen des Langhauses. Zu sehen sind:
ein Segelschiff im Sturm, Symbole des Todes (Sense,
Pfeil, Sanduhr,Totenkopf), zwei Zelte mit Fahne und
Kanonenrohr, gekreuzte Degen, Marterwerkzeuge
(Rutenbündel, Geißel, Kette), ein Ertrinkender im
Brunnen, ein Krückstock. Alles Hinweise auf Not-
situationen, denen in diesen Bildern immer ein
Gürtel beigegeben und eingefiochten ist. Einen sol-
chen ledernen Gürtel trugen die Mitglieder der Erz-
bruderschaft Maria vom Trost als Zeichen ihrer Ver-
bundenheit mit der Gottesmutter. Diese Gürtelbru-
derschaft, im 15. Jahrhundert in Bologna entstanden,
wurde 1575 mit dem Augustinerorden verbunden und
von ihm weiterhin bekannt gemacht und gefördert,
auch in Gmünd, wie die Stuckreliefs belegen. Am
2. April 1699 hatte Bischof Alexander Sigismund von
Augsburg den Gmünder Augustinern die Erlaubnis
erteilt, in die Tradition der Bologneser Erzbruder-
schaft einzutreten und in ihrer Kirche die Bruder-
schaft S. Monicae sub titulo B.V.M. de Consolatione
(Trost) zu errichten. Dies veranlaßte damals, einen
Seitenaltar Maria vom Trost zu weihen und später in
derneuen Kirche in Stuckbildern den überdie Bruder-
schaft verheißenen Trost zu veranschaulichen.

Die Stuckdekoration gibt ein Beispiel derWessobrun-
ner Schule. Stilistisch ist dies zu begründen und mit
Namen zu belegen. Auf dem Provinzkapitel zu Speyer
1758 wird dem Gmünder Augustinerkloster der zuvor
an der Stuckierung der Münnerstädter Klosterkirche
beteiligte Bruder Vitus Settele, Gypsarius (Stukka-
teur), zugeteilt. Settele (* Landsberg a. L. 1712, Novize
in Würzburg 1737, f Gmünd 1782) stammt aus einer
Landsberger Kunsthandwerkerfamilie, deren Mit-
glieder und er vielleicht selbst u.a. im Trupp von
Dominikus Zimmermann bei der Stuckierung der
Wallfahrtskirche Steinhausen (1730 ff.) mitarbeitete.
Leitend tätig in der Augustinuskirche war wohl ein
Mitglied der Wessobrunner Stukkatorenfamilie
Finsterwalder, vielleicht Benedikt Finsterwalder
(OD 1733 in Augsburg). Nachweislich hat nämlich ein

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