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Kissling, Hermann [Hrsg.]
Augustinuskirche und ehemaliges Augustinerkloster Schwäbisch Gmünd — Schwäbisch Gmünd, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.7443#0029
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Die Künstler und Handwerker

Den Neubau der Kirche 1755/58 entwarf und leitete
der in Neckarsulm geborene, in Mittelfranken als
Deutschordensbaumeister und ab 1753 in Gmünd
tätige Architeckt Johann Michael Keller (Neckarsulm
1721-1794). Ihm, dem späteren Gmünder Stadtbau-
meister, verdankt die Remsstadt das barocke Element
im Stadtbild. Er hat hier die Schulung einer ganzen
Handwerker- und Künstlergeneration beeinflußt und
gefördert, er setzte Maßstäbe durch die Berufung
namhafter Meister, mit denen er auch andernorts
zusammenarbeitete, so mit Wessobrunner Stukkateu-
ren und dem Freskanten Anwander. Die Akzeptanz
Kellers in Gmünd ist darin begründet - dafür zeugt
auch die Augustinuskirche -, daß er das Fürstlich-
Repräsentative der Barockarchitektur auf das Ver-
ständnis und die Sehwünsche eines reichsstädtischen
Bürgertums zuschnitt, das sich mit einer gezügelten
Prachtentfaltung zufriedengab.

Die letzte große Arbeit des Baumeisters und Stukka-
tors Christian Wiedeinann (* um 1680, 11739 Elchin-
gen) warderEntwurf und Bau des Augustinerklosters.
Seine Klosterbauten in Oberelchingen, Wiesensteig,
Ochsenhausen, Wiblingen, Gmünd und Roggenburg
(Kr. Neu-Ulm) weisen ihn als einen bedeutenden
Baumeister des ostschwäbischen Alb-Donau-Iller-
gebietes im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts aus.
Wenig ist bekannt, daß er mit der Geislinger- und
Ostalb besonders verbunden war. Vermutlich half er
seinem Vater schon beim Bau der Degginger Pfarr-
kirche Heilig-Kreuz. Dort im oberen Filstal baute er
dann 1716 -18 die Wallfahrtskirche Ave Maria und zur
nämlichen Zeit die Kirche in Weißenstein (1716-19),
1730-33 entstand nach seinen Entwürfen die Wall-
fahrtskirche auf dem nahen Bernhardusberg bei
Weiler (1809 abgebrochen) und schließlich das
Gmünder Agustinerkloster.

Der niederländische Maler Oswald Onghers (*Meche-
len 1628, t Würzburg 1706), seit 1660 Hofmaler in

Würzburg, belieferte auch Kirchen im schwäbischen
Raum mit seinen Altarblättern, so in Cannstatt, Fell-
bach/Öffingen, Kloster Schöntal und Stiftskirche
Komburg, dann im Jahr 1700 das Bild des hl. Sebastian
in den Choraltar der Gmünder Klosterkirche Gottes-
zell. Dieses mag die Empfehlung gewesen sein für das
nachfolgend bestellte Hochaltarblatt der Augustiner.
Auch in ihm waltet noch hochbarockes Pathos, ist
noch der Einfluß von Rubens spürbar. Onghers Wert-
schätzung hielt an. Sowohl in Gmünd wie in Schöntal
wurden seine Altarblätter in neue Hochaltäre der
Jahre um 1770 übernommen.

Johann Anwanderzählt zu den namhaften Freskanten
des süddeutschen Rokoko. 35 von ihm ausgemalte
Kirchen, Kapellen und profane Räume mit den
Hauptwerken in Dillingen, Bamberg, Münnerstadt
und Schwäbisch Gmünd sind die Zeugen. In den
Bildern der Augustinuskirche zeigt sich der damals
Vierzigjährige auf der Höhe seines Schaffens. Flüch-
tigkeiten in der Zeichnung sind deshalb nicht aus-
geschlossen. Man achte bei seinen Figuren einmal
genau auf die Zusammenhänge von Oberarm, Schul-
ter und Hals. Sein schwungvoller Vortrag, der in den
Bildern nie erlahmt, führt den Blick über kleine
zeichnerische Unstimmigkeiten jedoch rasch und
leicht hinweg. Frühere Schwächen in der Perspektive
(so noch in Bamberg) hat Anwander nun getilgt. Und
seine großen Kompositionen stimmen sowohl in
formaler Hinsicht wie Sinngebung. Das besondere
Talent Anwanders liegt in der Koloristik. Die Fresko-
technik beherrscht er wie die Großen seines Faches,
wie bei ihnen ist sein Vortrag flüssig und bestimmt
zugleich. Seit Münnerstadt hat sich seine Palette mit
stärkeren Kontrasten, auch neuen Tönen bereichert.
In Gmünd verleiht ein vielgebrauchtes Braunviolett
in allen Helligkeitsstufen seiner Malerei subtile kolo-
ristische Wirkungen, die über das Bild hinaus sogar
noch Verbindungen schaffen zu dem gedämpften
Barockrot der Stuckdekoration. Dieses Braunviolett
erinnert an den größten Freskanten jener Jahre, an
Giovanni Battista Tiepolo und seine Fresken in der
Würzburger Residenz 1750 - 53. Reiste Anwander von

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