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Kissling, Hermann [Editor]
Augustinuskirche und ehemaliges Augustinerkloster Schwäbisch Gmünd — Schwäbisch Gmünd, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.7443#0030
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Die Künstler und Handwerker

Münnerstadt über Würzburg nach Gmünd?
Wie viele Zeitgenossen nützte Anwander Bilderfin-
dungen anderer, in Gmünd solche von Matthäus
Günther und Johann Georg Bergmüller, die Tauf-
szene von Giovanni Pittoni. In manchen Figuren und
Szenen wiederholt ersieh selbst, wie ein Vergleich mit
Münnerstadt lehrt. Nicht weniger interessant sind die
stilistischen Traditionen, die Anwander aufnimmt. Im
Gmünder Langhausfresko erscheint er (wohl im
Gefolge Bergmüllers) noch als ein Nachfahre des
Andrea Pozzo (*Trient 1642, t Wien 1709). Kein Wun-
der, war doch dessen epochales Lehrbuch (2 Bände,
Rom 1693/98) in deutscherÜbersetzung mit demTitel
„Der Mahler und Baumeister Perspectiv" 1708/19 in
Augsburg erschienen. Pozzos Kunst bestand darin,die
reale Architektur mit einer gemalten „Überarchitek-
tur" aufzustocken. In deren Verknüpfung und
genauen zentralperspektivischen Orientierung ge-
lang ihm ein Höhepunkt der Illusionsmalerei.
Anwander erinnert im großen Bild der Augustinus-
kirche an diese Auffassung des Hochbarock, auch in
der Dominanz seiner Ockertöne. Er verzichtet jedoch
als ein Meister des 18. Jahrhunderts auf die Verbin-
dung von Real- und Scheinarchitektur, zumal die
Wand- und Raumstruktur der Augustinujjkhxhe
solches kaum erlaubte. Im Deckenfreskcfsin Hie
Szenen freier organisiert, verschiedene Raum- und
Zeiteinheiten verschmolzen. Sinnliches und Über-
sinnliches, Allegorie und fromme Legende, Architek-
tur und Landschaft zu einer neuen Einheit verwoben.
Das Bild, dinglich und visionär zugleich, erscheint als
ein zwischen Himmel und Erde angesiedeltes Schau-
spiel, im Aufsehen zu lesen und zu genießen. Anwan-
der folgt darin dem bahnbrechenden Meister seines
Jahrhunderts, Cosmas Damian Asam. Er formulierte
diese neue Konzeption von Deckenmalerei, in der die
Rokokomalerei ihre Verselbständigung feiert.

Anwander zur Seite stand Franz Ferdinand Dent, ein
hohenzollerischer Maler (* Kirchenhausen bei Engen
1723, t Hechingen 1791). Bettelarm sitzt er da in zer-
schlissener Kleidung (wohl eine Anspielung auf karge
Entlohnung), mit flehender Gebärde Augustinus

zugewandt. Vor ihm liegen seine Habseligkeiten,
Krücke und Schlapphut und die plastisch in den Raum
hereinhängende Kürbisflasche und Reisetasche. Auf
ihr sein verschlungenes Monogramm F. D. So zeigt er
sich in derNordszene des großen Freskos, unweit der
Inschrift seines Meisters: Joh. Anwander invenit et
pinxit 1757 - Joh. Anwander hat dies erfunden und
gemalt 1757.

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