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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — 1.1907

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Dvořák, Max: Spanische Bilder einer österreichischen Ahnengalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.18129#0025
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M. DvokAk Spanische Bilder einer österreichischen Ahnengalerie

nächsten Jahren sowohl den künstlerischen Qualitäten als auch der historischen Stellung
der barocken Kunst, die so lange für die Forscher und für das Publikum kaum existierte,
wieder gerecht werden. Doch wir dachten nicht an solche Entdeckungen, die auf Grund des
alten mehr oder weniger bekannten Materials gemacht werden können — zumeist in der Studier-
stube — und wo der Erfolg" nur vom Ingenium und von der Arbeitsenergie der Sucher
abhängt, sondern an Funde, die ganz unbekannte und bisher verborgene Kunstschätze zutage
fördern würden: die scheinen heute nicht mehr möglich zu sein. Der alles umfassende Welt-
verkehr, das viele Reisen, das große Interesse an allen Fragen der Kunst und die damit
verbundene materielle Wertschätzung der alten Kunstwerke, die unerschöpfliche Spezi al-
literatur, alles das bewirkte, daß man kaum hoffen kann, irgendwo noch verborgene unbe-
kannte Kunstwerke von großer Bedeutung zu entdecken, am allerwenigsten in Italien, wo
die Ununterrichteten wie in mancher anderen auch in dieser Beziehung das letzte Refugium
der Romantik zu suchen geneigt zu sein pflegen. Und dennoch gibt es Ausnahmen davon.

Die eine ist nicht unbekannt. Es ist dies der englische Privatbesitz. Die Engländer
sammelten schon im XVII. Jh. alte Kunstwerke und oft findet man in den Akten der Prokura-
toren von S. Marco, die den alten Kunstbesitz in Venedig zu beaufsichtigen hatten, den Ver-
merk: questo quadro hanno portato via Inglesi. Diese Kunstwerke kamen vielfach in die Land-
häuser und Residenzen des englischen Adels und blieben dort oft bis auf den heutigen Tag
verborgen und unbeachtet, wodurch uns in letzter Zeit manche Überraschungen bereitet wurden.

Die zweite Ausnahme sind jedoch — last, not least — die alten Adelsresidenzen in Österreich.

Statt vieler Worte möge es an einem Beispiele dokumentiert werden. Fährt man mit
der Staatsbahn von Prag nach Dresden, kommt man an dem Raudnitzer Schlosse vorbei.
Es ist ein großer imposanter Barockbau der zweiten Hälfte des XVII. Jh., dessen ruhige
und etwas nüchterne Formen auf einen jener lombardischen Architekten aus der Schule
Tibaldis hinweisen, die damals in ganz Mitteleuropa beschäftigt wurden. Das Schloß hat eine
weit zurückreichende Vergangenheit. Es stand an der Stelle des jetzigen Baues früher schon
ein anderes Schloß und vor diesem eine Burg, die wir bis in das XIII. Jh. zurückverfolgen
können. Damals gehörte sie den Bischöfen, später Erzbischöfen von Prag, deren Sommer-
residenz sie gewesen ist. Johann von Drazic, ein Kirchenfürst, der in einem andern Jahr-
hundert ein Heiliger geworden wäre, ließ sie von avignonesischen Architekten umbauen,
Ernst von Pardubitz, der Freund und Ratgeber Karls IV., hielt dort den eques Candidus,
wie er sich zu nennen pflegte, Nikolaus dei Rienzi gefangen, jenen sonderbaren Schwärmer,
dem die römischen Ruinen und der damals neuentdeckte patriotische Pathos der klassischen
Literatur den Kopf derart verdrehten, daß er sich für berufen hielt, das römische Reich zu
neuem Leben zu erwecken. In Raudnitz schrieb er die schönsten seiner Episteln, die so
grandios und suggestiv sind in ihrer Form und so naiv und albern ihrem Inhalte nach. In
der Zeit der hussitischen Katastrophe mußten die Prager Erzbischöfe die Burg verkaufen,
die dann durch hundert Jahre oft die Besitzer wechselte. Im XVI. Jh. gelangte sie in den
Besitz der ^südböhmischen Könige", der Herren von Rosenberg, die die Burg in ein
Renaissanceschloß umbauen ließen. Nach dem Tode des letzten der Rosenberge erbte das
Schloß seine Witwe Polyxena, eine Dame, die in unserem Berichte eine wichtige Rolle
spielt. Sie vermähke sich in zweiter Ehe mit Zdenko von Lobkowitz und so kam das Schloß
in den Besitz der Fürsten von Lobkowitz, welchen es noch heute gehört. In den Jahren
1652 —1687 wurde der alte Bau niedergerissen und das jetzige Schloß, „wie es sich für eine
türstliche Residenz gebührt", von Carlo Orsolini und Antonio della Porta erbaut.
 
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