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Wr. 31.

ßrrltn, drn 7. 3uli 1861.

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IIV. Zahrgang.

Wochenkalender.

Montag, den 8. Juli.

Franz II. a. D. wird vom Könige von
Italien ausgesordert. Rom zu verlasien.

Dienstag, den 9. Juli.

Der König von Italien wird von
Franz II. a. D. ausgesordert, Jtali m zu
verlasien.

Mittwoch, den 10. Juli.

Der Kaiser von Frankreich wird vom
Könige von Italien ausgefordert, Rom zu
verlasien.

Wochenkalender.

Donnerstag, den II. Juli.

Rom beschwert sich dagegen, daß eS
zwar nicht von den Franzosen, aber desto
mehr von Frankreich verlasien werde.

Freitag, den 12. Juli.

Der Herzog von Modena wird ausge^
fordert, seine Armee aufzulösen. Der Her-
zog fordert ein Gleiches vom Könige von
Italien.

Sonnabend, den 13. Juli.

Die Armee des Herzogs fahrt indesien
fort, sich zu amusiren; denn Oesterreich
sorgt dafür, sie möglichst gut zu unter
halten.

Kladderadatsch.

H umo i'istisch-falyri sch es Moch eMail.

Dieses Blatt erscheint täglich mit Ausnahme der Wochentage. — Man abonnirt mit 21 Sgr. vierteljährlich für 15 Nummern bei asten Buch'
bandlungen. sowie bei den Posianstalten des In- und Auslandes. — Einzelne Nummern (wenn solche noch vorhanden) « Lj Egr.

Ä Wir liehen schon wieder auf einem Wulcan!




ff*

IAas Bild ist nicht neu; aber das Wohlgefallen an alten Bil-
^dern, ist es nicht auch ein Zeichen von der Verlebtheit
t unserer Zustände? Nur die dicke Sohle der Mattherzig-
keit empfindet noch nichts von der glühenden Lava unter
unsern Füßen, welche in kurzer Frist Ordnung und Gesittung in
Europa überschütten wird. Nur das durch geschliffene Glasscherben
verklemmte Auge überstudirter Kurzsichtigkeit sieht nicht die Funken
sprühen aus dem Aschenkegel unserer abgebrannten Zustände, aus
denen jeden Augenblick eine Feuerlohe zum Himmel emporschießen
kann, hoch und gewaltig genug, um die Engel im Himmel zu
bewegen, ihre Füße einzuziehen.

Schon phosphoresciren die Pestmiasmen der tiefsten Volks-
verderbniß auf der Oberfläche unseres großstädtischen Oceans:
Pöbelexcesse in allen Straßen, Mißachtung der ausübenden
Gewalt auf allen Plätzen, Umgarnung und Verführung des
stehenden Heeres — auf allen Hausfluren!

— Wir siehen auf einem Vulean!

Und nur die große Schädel leere des grauen Philister-
thums hat keine Ahnung von der drohenden Gefahr. Der dreiste
Selbstdenker aber sieht sich mehr als je am Vorabende großer
Ereignisse und fühlt sich mehr als je aufgefordert, zu der eben
so einfachen wie doppelten Frage:

(3^= Warum? und WaS nun?

Das Warum wird zunächst offenbar in der großen Mangel-
haftigkeit, in der Lückenhaftigkeit unseres Strafgesetzbuches. Wohl
haben wir wenig oder gar nichts zu verrichten, wozu wir nicht
der Erlaubniß der Polizei bedürfen. Aber doch noch immer

zu viel! Wir essen, wir trinken, ja — wir schlafen noch
immer ohne vorher eingeholte Bewilligung unsrer eingesetzten
Obrigkeit; und was das Schlimmste, was für einen deutschen
Staat das Unheilvollste ist, wir vermehren noch immer unsre Fa-
milie — ohne vorher gegangene Anmeldung beim Re-
vierljeutenant! So geht aus dem Schoße der großen Stadt
eine unklare Menge hervor, die sich drängt und gedrängt wird,
und der selbst der ebenso starke als fromme Geist der Schul-
regulative nicht mehr gewachsen ist. Der Mittelstand ver-
schwindet, und wir haben nur noch zwei Classen der bürgerlichen
Gesellschaft: sehr kluge Leute und sehr dumme Leute. Was
dazwischen liegt, existirt nicht.

Wie sind diese Extreme zu vermitteln, wie sind
diese Exceffe zu versöhnen?

Durch Erzeugung eines neuen Mittelstandes. Machen
wir diejenigen, welche zu klug sind, etwas dummer, und die zu
dumm sind, etwas klüger! Suchen wir die Wissenden zum
Glauben, die Gläubigen zum Wissen zu bringen! Sagen wir
den zu ^Klugen: „Ihr müßt endlich daran glauben!" und
rufen wir den zu Dummen zu: „Ihr sollt daran denken!"

Beschwören wir die Klugen an den Teufel zu glauben,
— der in IHM steckt, und die Dummen zu begreifen, durch
welche Mächte ER zu seiner Macht gelangt ist.

Bringen wir den Klugen zu der Ueberzeugung, daß der
Glaube an sich Wunder erzeugt, und lassen wir den Dummen
sich wundern — über seinen Glauben an Andere.

Mit einem Wort: stellen wir alles auf den Kopf, um den
Werth der Dinge zu erkennen. Stellen wir die Menschen auf
 
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