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Zur Lösung einer seiller uiriif lirennen raoffemfen Frage. (SSl)

Immer schwieriger gestalten sich die Verhältnisse der Straßburger
Tabaksmannfactnr. Immer colossalcr wird die Atasse der nnvcrkanft und
unverkäuflich lagcrudcn Cigarren. Sie wird, ungefährer Berechnung nach,
bald 100 Millionen betragen. Jeden Tag konimcn neue Millia Hinz».
Was soll daraus werden? Wie sollen die immer mehr anwachsenden
Schulden der Manufactur verschwinde», wenn die von ihr erzeugten Cigarren
nicht schlank wcggeraucht werden ? Aber wer soll sie rauchen ? Die Feuer-
länder tl)äten cs vielleicht, wenn man sie ihnen franco in ihr Land schickte.
Da sie aber kein Geld haben, um sie zu bezahlen, so würden sie anschreibeu
lassen, und das macht den Kohl auch nicht fett. Die Mohren in Central-
Afrika haben die ihnen übersandten Probekistchen mit dem Vermerk „Bereits
versehen" zurückgeschickt. Diese waren aber die letzte Hoffnung. Man setzte
mit Bestimmtheit voraus, daß sic auf den Handel eingehe» und Elephantcn-
zähne, Goldstaub, Pfeffer, Purpur und Gummi als Tauschwaare anbieten
würden. Statt dessen haben sie die Reisende» der Manufactur aufgegcssen,
die Cigarren aber nicht aufgeraucht, sondern zurückgcschickt. Was nun?

Es sind uns von verschiedenen Seiten Vorschläge zugegangen, wie dieser
große» Verlegenheit abzuhclfc» sei. Wir werden dieselben in Folgendem
nach einander veröffentliche», um sic dem Urtheil der Competenten, sowie
der öffentlichen Meinung zu unterbreiten.

1. ES wird vorgeschlagen, die Cigarren wallartig an der Grenze von
Elsaß-Lothringen, Frankreich gegenüber aufzuhäufcn. Dieser Wall wäre
anzuzünden im Fall der Gefahr, d. h. wen» Frankreich einen Revanchekrieg
eröffnen sollte und vorausgesetzt wird, daß die Franzosen vor dem sich ent-
wickelnden Dampf schleunigst Kehrt machen würden.

Der Vorschlag scheint nicht übel. Es ist nur die Frage, ob das itriegs-
ministerium darauf eingehen wird, ein Schutz- und Abwehr-Mittel von
doch nur vorübergehendem Werth für einen so hohen Preis zu erstehen, als
die Manufactur ihn immerhin für ein paar hundert Millionen Cigarren
fordern wurde. Außerdem ist zu bedenken, ob nicht Sonnenschein, Rege»
und Schnee allmählich die Wirksamkeit des Mittels beeinträchtigen, und
endlich, ob — worauf es doch sehr ankommt — die Cigarren überhaupt
Feuer fangen werden.

2. ES wird der Vorschlag gemacht, die Manufactur-Berwaltung solle
jedes Jahr eine Cigarrenverlosung in großem Styl veranstalten. Jedesmal
kommen 100 Millionen Stück Cigarren zur Verlosung. Eine Million Loose
a 1 Mark wird ausgcgcben und nur ein Loos gewinnt. Der Gewinner ist
gehalten, seinen Gewinn binnen drei Tagen abznholen, widrigenfalls der-
selbe einer milden Stiftung verfällt. Bei der Aussicht auf einen so nn-
geheure» Gewinn — sagt man — könne es nicht schwer fallen, eine Million
Loose abzusetzen. Damit wären die Kosten, der FabrikationSwerth einer
Cigarre auf 1 Pfennig veranschlagt, eben gedeckt und mehr könne man
nicht verlangen.

Der Vorschlag klingt sehr verlockend. Aber ist cs denn wirklich so
bombensicher, daß die Million Loose ä 1 Mark reißenden Absatz finden wird?
Ist der Gewinn denn wirklich ein so ungeheurer, wie man sich vorstellt?

Wenn nun der glückliche Gewinner die hundert Millionen Cigarren sich mit
schweren Kosten nach Hause geholt hat, was sott er mit ihnen anfangen?
Selbst rauchen kann er sie nicht und anbieten höchstens einem Todfeinde,
den er vielleicht nicht einmal besitzt, sondern sich erst anschaffen müßte.
Verkaufen kann er sie nicht, er kann sie auf keine Weise zu Gelde mache».
ES bleibt ihm nicbtS übrig, als behufs ihrer Lagerung eine Reihe von
Speichern zu errichten. Damit würde aber auch ein sonderliches Vergnüge»
nicht verbunden sein.

Ganz perfide aber erscheint uns die Best q d Gewinn, wen»
er nicht abgeholt wird, einer milden Stiftung verfallen soll. Wie kann
man nur so geradezu aller Milde in's Gesicht schlagen? Wir würde»
wenigstens, wenn der Vorschlag Nr. 2 angenommen würde, mit Entschieden-
heit verlangen, daß diese grausame Bestimmung in Wegfall känie.

3. Der dritte Vorschlag geht darauf hinaus, von Seiten der Manu-
factur ein großes PrciSwettrauchen ausschrciben zu lassen. Der Preis be-
trägt 10,000 Mark und wird demjenigen zu The«, der zuerst 1 Mille
Manufactur-Cigarrcn aufgeraucht hat. Das betreffende Mille hat ein Jeder,
der sich. mitbewerben will, zum Fabrikpreise von der Verwaltung zu ent-
nehmen. Sobald die Zahl der PreiSbewerbcr 100,OM beträgt, wird die
Liste geschlossen.

Dieser Vorschlag gefällt uns sehr. Es würde sich nur darum handeln,
einen für diesen Wettkampf geeigneten Ort aufzufinden. Als solcher scheint
im erste» Augenblick der Brocken oder Bloxberg wie geschaffen. ES ist aber
zu erwarten, daß die umliegenden Orte, die allerdings, wenn der Wind gerade
zu ihnen Hinstände, stark dadurch gefährdet wäre», gegen eine derartige
Benutzung deS Berges Verwahrung cinlegcn werde». Besser wäre cs daher,
den Mittelpunkt einer großen Wüste oder auch eine möglichst mitten im
Ocean gelegene unbewohnte Insel zum Schauplatz des PreiSwcttkampfes zu
erwähle». Im Uebrigcn glauben wir, daß der auSgesetzte Preis groß genug
wäre, um die gewünschte und erforderliche Anzahl von Bewerbern herbei-
zuziehcn. Wer durch die Bcthciligung an seiner Gesundheit Schaden leidet,
hat. auch wenn er nicht den Preis erringt, das angenehnie Gefühl, für das
Vaterland ein rühmliches Opfer gebracht zu haben. Gewisse Vorsichts-
maßregeln wären jedoch z» treffen. Man erinnere sich daran, daß nach dem
Urtheil von Autoritäten die Krebspest in der Oder wahrscheinlich dadurch
herbcigcführt worden ist, daß an dem oberen Laufe des Flusses, im Ober-
schlcsischcn etwa der Stummel einer Straßburger Manufacturcigarre in das
Bett desselben hincingeworfcn ist. Es muß daher aufs Strengste untersagt
werden, die Stummel der abgcrauchten Cigarren in das Meer zu werfen,
weil nur zu leicht sonst ein allgemeines Fisch, und Hummer-Sterben im
ganzen Wassergebiet des Oceans die Folge sein würde.

Ein Nebenvortheil, de» das vorliegende Projcct in Aussicht stellt, wäre
noch der, daß Tausende sich vor dem Wettkampf zu Hause in Straßburger
Cigarren einrauchen würden, »in desto sicherer den Preis zu gewinnen, und
daß schon hieraus ein enormer Absatz sich ergeben würde. Wir halten daher
den Vorschlag Nr. 3 für sehr cmpsehlenswcrth. Weitere Vorschläge werden
wir mit Dank eiitgegeiinchiiic».

J'cililh'tiltt.

Die Ultramontane» haben eine Villa in Moritzbcrg bei Hildesheim für
200,0M Mark erworben und dieselbe Herrn Windthorst zum Geschenk an-
geboten.. Herr Windthorst aber soll die Schenkung bescheiden«!«) ab-
gelehnt und dabei bemerkt haben:

Für das, was ich gcthan als Welf und Christ
Nehm ich ein stolzes Haus nicht als Belohnung.

Der echten Perle dient ja, wie ihr wißt,

Der Muschel unscheinbar Gehäus als Wohnung.

Wirkung des französischen geikünches.

Es gab eine Zeit, da es schien, als werde Gambctta dereinst im
Buche der Weltgeschichte dastehcn als ein Mann von ungewöhnlichem Ruhm,
als der Orlando furioso Frankreichs, als der große Riese der Zukunft.

Jetzt, da er im Lichte des zum The« von ihm selbst verfaßten Gelbbnchs
dasteht, scheint sein Ruhm bereits vergilbt und ist Gambctta wirklich
nur der fou furieux Frankreichs, ja nur der — naiv saune, d. i. der
gelbe Zwerg der Weltgeschichte.

2us iechnischen lireise».

Gegen den Wunsch der Docenten an der technischen Hochschule in
Berlin hat das Ciiltusministerium <Vortragcndcr Rath: I)r. Wehreu-
pfennig) verfügt, daß eine öffentliche Ausstellung von Zeichnungen der
Schüler stattznfinden habe. In Folge dessen haben sich von den 2M Schülern
bis zum Schlußtermin 10 als Aussteller angemeloct.

Die Ausstellung wird daher, im Gegensatz zu den andern Ausstellungen
der letzten Jahre, die an einer verwirrenden Ueberfülle von Material litten,
etwas ungemein UebersichtlicheS an sich haben. Die 10 cingcliefertcn Ar-
beiten sollen in 13 Abtheilungen, von denen jede 7 Unterabtheilnnzen hat,
eingetheilt werden. Einen „Führer durch die Ausstellung" soll der Herr
Geheime Regierungsrath Dr. Wehrenpfennig zu schreiben im Begriff sein.

Ein sehr gutes Mittel gäbe eS für die Regierung, regiernngSsrenndliche
Abgeordnetenivahlcn zu erzielen. ES lautet: Suspension der officiösen Presse
von jetzt ab bis zur Entscheidung.

Sollte eS nicht den Versuch verlohnen?
 
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