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“>C- Bei 10 Grad unter Bull. ,3r

Mütter. Ju'n Abend, meine Herren! Donnerwetter is des heut '»e
Kälte! Wat trinkt ihr denn da, es dampsl ja eklich, is wol Warmbier?

Lehmann. Glauben Sie denn, wir werde» uns bei den niedrige»
Reaumnr das kalte Echte in'n Leib jagen?

Müller. Ach so! Na denn bringen Sie mir man ooch '» Seidel von
die heiße Nachversteucrung mit etwas Zuckerprämie damalig!

Schuthe. Du kannst bei diese kühle Witterung dreist Grog sagen. Wir
seiern heut den Schalttag.

AröffKc. Wenn wir »ich dies Jahr 'n janz niederträchtig heißen Sommer
kriejen, denn Itjau' ick nich mehr uf, so durch und durch jesroren bin ick.

Schmidt. Es geht wirklich schon über das polizeilich Gestattete. Selbst
die Lappe», die doch einen Pufs vertragen können, sind schon durch sich selbst
gegangen, um ein südlicheres Klima auszusuchen.

Mütter. Ja ivol, sie sollen sich in die Magdeburger Irgend durchivärmen.

Aröstlie. Wie doch aber die Menschen verschieden sind. In'n Zoolojischen
lvofen die beeden Eisbären immer noch janz nackend rum und sind jesund
und nmnter.

Lehmann. Wojegen im Polrapp schon ein Schneeschipper jeslanden
haben soll, der seinem Berus erlegen is.

Schuthe. Ja, es is jrimmig! Selbst die Eispächter fangen schonst an
sich die Hände zu reiben.

Schmidt. Das niacht alles der Ostwind. Aus Rußland kommt über-
haupt nichts Gutes für uns.

Aröstke. Wenn ivir den trocknen Wind noch lange behalten, ivird es
doch nächstens noch mal blaue Bohnen schneien.

Lehmann. Apropos Russen. Die armen Kerle thun mir Ivirklich leid,
die jetzt an die osfene Grenze mitten in'n Zug stehen müssen.

Müller. Die sind dran jemöhnt, aber die Franzosen, die bei jetziger
Teniperatur um sie rum scherwenzeln, wat müssen die erst ausstehn?

Bröstlle. Sie sollen ja alleweile in Paris schonst kalt Heizen lassen,
um die Russen ihre Sympathie zu beweise».

Schnitze. Daher haben se wahrscheinlich die klammen Finger, mit die
se nich in die Taschen fassen können, um die lumpige Millionen-Anleihe raus
zu kriejen.

Schmidt. Sie scheinen janz die russiche Kälte von anno damals an
die Beresina vergessen zu haben. Auch werden die Russen jetzt ihretivegen
wohl nicht wieder Moskau illuminiren lassen.

Müller. Bon wejen den französchen Wahlspruch: Blutsfreuudschast,
so viel ihr wollt, aber Jeld is'n janz besondrer Saft!

Schuthe. Am wärmsten hat es alleweile der jute Fernand, den
Heizen se von alle Seiten in und sogar mehr, als ihm lieb is.

Ilröstlie. Und janz sor umsonst bei die jetzige Theuerung.

Lehmann. Na hören Sie mal, Ihr Wort in Ehren, aber es könnte
doch konime», daß ihnen mal das Feuerungsmaterial knapp wird und sie ihm
den Thron unterm Leibe anstecke»!

ZLröstüe. Da müßte denn doch der Türke jesälligst ooch bei sind.

Schmidt. Der wird sich ivohl hüte». Er sitzt schön warm in seinem
Harem und ivird sich den Teufel mit dem Russen anlegen.

Muffelig. (Der bis dahin geschlafen hat.) Ick kann es die Franzosen
übrijens nich so verargen, deß se Elsaß und Lothringen wieder haben wollen!

Schukhe. Aber Nusselig, was is denn los, haben Sie schonst ausje-
schlasen? Sie haben wol von die sranzösche Operette ins Walhalla Theater
jeträumt, deß Sie so jut uf die Franzosen zu sprechen sind. Oder haben
Sie vielleicht des Wasser in den Grog vergessen?

Muffelig. Ach Unsinn! Ick wollte man blos sagen, wer läßt sich denn
gerne sein bisken untern'n Leib wegnehmen ohne zu schreien. — — —
Weeß allens, deß es uns srüher jehörte und so. Aber die Franzosen wissen
des nich, weil sie einerseits 'n zu kurzes Jedächtniß haben und denn zu
wenig Realschulbildung, und en — — —

Mütter. (Zu einem Fremden, der sich an den Kleiderhaken zu schassen
niacht.) Sie da, Männken, Sie wer'n sich'» falschen Paletot zuziehen! Der
is meiner und ville zu eng sor Ihnen. Ausrllcken is nich! Ick wer Ihnen
erst aus meine Jarderobe helfen. Donnerwetter, muß der Mensch verfroren
sind, hat er noch eenen Überzieher drunter.

Schmidt. I, das ist ja meiner, und der Hut auch! Sie sollten sich
was schämen. Wir werden Sie einem Schutzmann übergeben.

Makelolmarder. Meine Herrn, schmeißen Sie mir raus, es ist der
erste Fall!

IZröstke. Wieso? Schmidten seiner war der erste Fall. Müllern
seiner der Rückfall, un der Hut is nu schonst der drille. Junger Mann,
Sie machen den Jnstanzenjang schnell ab und stehen bereits vors Zuchthaus.
Wir »vollen aber seine Carriere nich unterbrechen und ihn einfach verhauen.

Schuthe. Pfui, Brösike, hauen thun jetzt höchstens »och die Franzosen
und blos, wenn se so i» die Majorität sind, wie wir hier, und denn eene»
unglücklichen Deutschen damalig haben.

Müller. So is es. Schmeißt ihn einfach raus! (Der junge Mann
wird an die Lust befördert und kommt mit einem blauen Auge, einigen
braunen Flecken und unbedeutenden Hautabschürfungen davon.)

Mussetig. Wat nu die Franzosen betrifft — — —

Schuthe. Die kommen das nächste Mal dran. Für heute is es zu
spät, linse Sachen haben wir glücklich ivieder retour jekriegt, und nu woll'n
wir se ooch jleich anbehalten und in'n Landsturm nach Hause übertreten,
damit wir nich noch von Muttern das letzte Aufgebot kriejen. (Sie thun das.)

Kühnen Muthes, ohne Wanken
In des Parlamentes Schranken
Reitet Ritter Labouchtzre.

Seine Rosinante schäuniet
In die Zügel, bockt und bäumet,
Furchtbar.gleißen Schild und Speer.
Und er spricht: „Ich bi» gekonimen,
Weil ich Gräßliches vernonimen,

Das Alt-England trägt im Sinn.
Don Quixote ist meiu Name,

Für La France, die edle Dame,
Werf' ich meinen Handschuh hin.

Wie, ihr solltet wirklich wage»,

Etwas Böses nachzusagen
Frankreich und der Stadt Paris,

Wo ich meine schönsten Jahre,

Meine Tugend, meine Haare,

Herz und Geld und Klugheit ließ?!

itzuixote Labou

Ach, ihr himmlisch süßen Tage,

Da ich ohne Sorg' und Plage
Aus dem Boulevard flanirt,

Für die Operette schwärmte,

Für den Cancan mich erwärmte,

Und mit Mamsell Blanche soupirt,

Ha und ivie? Den Blutbarbaren,

Die von solcher Frechheit waren,

Daß das Elsaß sie geraubt,

Uhren und Milliarden stahlen,

Denen wollt Tribut ihr zahlen?

Ha! das sind' ich unerlaubt!

Darum sag' ich, Lords und Herren,

Thut euch nun nicht länger sperre»,

Gebt mir Antwort rund und nett:

Wollt ihr Deutschland cajoliren
Oder Frankreich chikauiren?

Antwort, Antwort, Schwerebrett!"

Sprach'? und gab dem Roß die Sporen,

Aber ziemlich unverfroren

Ward ihm Antwort: Lieber Mann,

Was sich aus dem Continente,

Irgendwie ereignen könnte,

Dieses geht uns gar nichts an.

Ob sie sich da unten schlagen
Oder wiederum vertragen,

Ist uns wirklich ganz egal;

Unsre insulare Lage
Stellt uns sicher ohne Frage —
England, England bleibt neutral!
„Ha, ein Glück!" rief Labouchtzre,
Sonst, bei», eiv'gen Gott, sonst iväre
Fürchterlich in Wuth und Graus,

Mir mein Heldenzorn entglommen!" —
Und des Wegs, den er gekommen,

Ritt er wiederum hinaus.

In einer Rede, welche Herr Hofprediger Stöcker in der Tonhalle gegen
das Heine-Denkmal hielt, stieß er die Drohung aus: wenn Heinrich Heine
wirklich ein Denkinal gesetzt werden sollte, so werde dasselbe nicht lange
unversehrt bleiben.

Sehr gut! Wenn das Denkmal zu Stande kommt, und eines Tages ist
er demolirt, so weiß die Polizei doch gleich, wer es gethan hat.

Rußland hat geäußert, es würde nimmermehr zugedcn, daß ein römisch-
katholischer Fürst auf den, bulgarischen Thron säße. Und einen protestantischen
würde es natürlich erst recht nicht dulden.

Warum soll auch nicht einmal wieder ein israelitischer Herrscher regieren?
Man müßte nur eine» aussuchen mit wohlklingendem Namen. Meyers
eignen sich nicht dazu, aber Salomon I. von Bulgarien z. B. würde sich
nicht übel ausnehmcn.
 
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