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Sine H 5 f c II e r tu n n i( [ u n g.

Ist das noch die Fortschrittspresse
Aus des alte» Wal deck Tage»,

Die der Freiheit Fahne hoch hielt,

Kühn'und fest und ohne Zagen?

Alt und faul ist sie geworden,

Und Marasmus hat ergriffen

Bis ins Mark sie. Stumpf und rostig

Ist ihr Schwert, einst scharf geschliffen.

Ihr, die einst mit Jugendmuthe
Kühner Thal sich unterfangen,

Für die Jugend ist Verständnis!

Und Gefühl ihr ausgegangen.

Aller Trotz ist ihr entschwunden,

Nicht mehr kann sie sich ermannen,
Widerstand zu leisten. Willig
Folgt sie dem Parteityrannen.

Ja, abhanden kam ihr alles,

Was einst Kraft ihr gab und Leben.

Nach den Lorbeer» Ohms und Piersigs
Sieht man jetzt sie gierig streben.

Denuncianlen zum Verstecke
Gibt sie gern her ihre Spalten,

Sie, die doch der Freiheit Fahne —

Lang' ist's her — einst hochgehalten.

Ach, wie alles doch, was schön war,

Der Zerstörung wird zum Raube!
Deutsches Volk, spiel ihr den Kehraus,
Wirs hinaus die alte Schraube!

Zur neuen |) n c t e i 6 i [ i( u n g.

Deutschfreisinnige gegen Nationalliberale, Centrum gegen Conservative,
Conservative gegen Deulschsreisinnige und Nationalliberale, Nationalliberale
gegen Conservative und Centrum, Socialdemokraten gegen alle zusammen,
und nur der eine Däne über den Parteien stehend — das ist zu arg! Das
halte der Teufel aus! Wir machen daher den Vorschlag, die vernünftigsten
Leute aus allen Parteien zu vereinigen und aus diesen eine neue ausschlag-
gebende Fraction zu bilde». — Dabei ist nur zu fürchten, daß aus manchen
Parteien der Zulauf nur ein ganz ungemein verschwindend zu nennender
sein dürfte.

Der ß e (1 r nf (e SoiiuiagsfifläaiCec.

Gegen d a £ 6 i fi ft a n j [ e r. t li u m.

„Gras Bismarck ist zum Staatsminister ernannt!" so tautet die
Schreckenskunde, die alle wahrhaft freien und patriotischen Männer mit Ver-
wunderung und Schmerz ersüllen muß. Auch dem Gutmüthigsten niuß es
jetzt endlich klar werden, daß der Kanzler seinen Aeltesten planmäßig zu
seinem Nachsolger heranzieht, daß tvir an dein Tage, an welchem wir endlich
aufzuathmen gedachten vom eisernen Druck, uns einem neuen Bismarck
gegenüber befinden tverden, mit dem tvahrscheinlich ebenso wenig auszukommen
ist, >vie mit dem alten. Denn muß nicht bei deni fortwährenden Zusammen-
hocken der Sohn vom Vater allerlei lernen, was später selbstständigen und
freigesinnten Männern ein gemeinschaftliches Arbeiten mit ihm unmöglich
machen wird?

Es muß endlich etwas geschehen, wodurch das Auskommen eines Erb-
kanzlerthums unmöglich gemacht wird!

Man könnte daran denken, durch ein Gesetz zu bestimmen, daß die etwa
vorhandenen Söhne des Reichskanzlers nicht in. die diplomatische Lausbahn
eintreten dürfen, daß sie ein Handwerk lernen oder sich mit dem reinen
Nichtsthun beschästigen müssen. Aber eine solche Bestimmung würde auch
noch keine genügende Sicherheit gewähren.

Fürst Bismarck hat auch in seiner Jugend »»regelmäßig gelebt und
sich nicht viel um Examina gekümmert, und schließlich hat er es doch noch
zum Reichskanzler gebracht.

Hier kann nur Eins helfen, in die Reichsverfassung muß die Bestimmung
ausgenommen werden:

„Der Kanzler des Deutschen Reichs muß Junggeselle sein!"

Brauchen wir darauf hinzuweisen, daß gerade der Mann, der vor allen
zu jenem hohen Amt berufen wäre, immer dem Junggesellenstande angehört
hat und ihm auch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr untreu werden
wird? Das ist kein Zufall mehr, das ist ein Wink der Vorsehung, deren
slilleS Wirken in der Weltgeschichte auch der freisinnigste Geist bei passender
Gelegenheit nicht leugnen tvird!

Wir nennen seinen Namen nicht, aber wir wissen, daß mit uiis die
Beste» der Nation in stiller Hoffnung ans ihn den Blick richten, auf ihn,
der vielleicht doch dazu berufen ist, eine neue Aera herauszusühren, eine Aera
der Wahrheit, Freiheit und des gleichen Rechts sür alle!

Der U n it a n fi 5 a re.

Als Held Boulanger geladen
Seine Freunde jüngst zum Essen,
Aß und trank man viel, doch wurde
Auch das Reden nicht vergessen.

Oftmals ließ mit vollen Gläsern
Man den Retter Frankreichs leben,
Frankreichs selber auch gedachte
Und des Heeres man daneben.

Und mit einem Blick nach Osten

Vernehmt, welch grause Frevelthat
Zu Oldenburg gescheht«.

Dort sah man einen Schneider
Am Sonntag Morgen leider
Keck durch die Straßen gehn.

Das Stiicklein war für Oldenburg
Denn doch etwas zu stark;

Man straft das Hosentragen
An Sonn- und Feiertagen
Dort stets mit einer Mark.

So wird der Frevel heimgesucht
An dem frivolen Manu,

Und zahlt er nicht, setzt man ihn sest.
Berlin, du arges Sündennest,

Nimm dir ein Beispiel dran!

Ward ein Glas hinabgegossen
Auf das fernere Gedeihen
Aller treuen Bundsgenossen.

Doch vergessen — o des schnöden
Undanks — wurden bei dem Prassen
Ganz die unbekannten Wirthe
Mit den wohlgesüllten Kaffen.

Edler, ladest deine Freunde
Wieder du zu üpp'gen Mahlen,

Trink auch aus das Wohl der Bieder»,
Die sür dich die Rechnung zahlen.

Zur ß e t u li i g u n g.

Verzage nicht im ängstlichen Gemüthe,

O Zecher schon! — ein weiser Kenner spricht's,
Noch nichts bedroht des künft'gen Weines Güte,
Bald aber naht die Zeit der Blaubeerblüthe:

Wenn dann uns Frost trifft, gibt es loieder nichts.

Er ging, indeß die Orgel klang,
Ganz ohne Sorg' und Harm;
Doch weh, der Ahnungslose
Trug «ine neue Hose
Wohl in dein linkeir Arm.
 
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