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Auf dem Wlokipkgasus.

1. Auf dem Zweirad.

In rastlosem Jagen,

In sausender Hatz
Ueber Straßen und Platz,
Ohne Ruh, ohne Halt
Ueber Stein und Asphalt,
An Schreitern und Reitern,
An Karren und Wagen
Und Droschken vorbei,

So erstem als zweitem,
Das freut mich, juchhei!
Mit grimmigem Blick,

Mit Keuchen und Schwitzen
Bleib hinter dem Flitzen
Der blitzenden Speichen,

Die nicht zu erreichen,

Der Schutzmann zurück.

Der Pserdebahnlenker,

Vor Wuth wird er kränker,
Wenn er mich nur schaut.
Er flucht und er haut
Mt grimmer Geberde
Wie toll auf die Pferde.
Mein Himmel, das nützt
Ihm nicht für 'nen Heller!
Der Heizer vom Tram
Aus dem Kurfürstendamm
Aufschüttet verstohlen
Roch 'mal so viel Kohlen
Und lächelt verschmitzt.

Ich denke: „Es sei!"

Und brät sich das Fell er,
Tret' ich etwas schneller
Und haste vorbei.

2. Aas Dreirad.

Du kamst auf sichrem Dreiradsitz einhergerollt so kühn und keck,

Doch sag' mir, was in aller Well hat wohl das Dreirad sür 'nen Zweck.?
Biegt um die Ecke man — kling kling! — ist's da und man erschrickt gar sehr,
Es klemmt sich zwischen Karren ein und hemmt den städtischen Verkehr.

Es zieht im dichtesten Gewühl verdächt'ge Kurven quer und krumm,

Es rollt dem Wandrer übern Fuß und segelt kleine Kinder um.

Wenn übern Damm nian schreiten will, durchbrechend kühn die Wagenreih',
Bleibt man gebannt im Straßenfchmutz, denn kling! das Dreirad rollt vorbei.
Es scheut sogar das Schutzmannspferd, der Droschkengaul fällt um vor Schreck—
.Nun sag' man mir in aller Welt, was hat das Dreirad für 'nen Zweck?

:>. Aas jPaat auf dem Aoppekdreirad.

Welche seltne Augenweide
Beut das Doppeldreirad dar:

Tretet, trampelt alle beive,

Strample, straniple, holdes Paar!

Vorn das Mädchen übt das Mädchen,

Tritt das Rädchen, o wie nett!

Und der Jüngling dirigiret
Hinter ihr und secundiret
Beim vierfüß'gen Tretduett.

Welche Wonne, unentgeltlich
Dieses so mit anzusehn!

Sie ist sreilich etwas ältlich,

Doch auch er ist nicht sehr schön.

4. Kroße Nenommkrfahrt.

Wirkt von euch schon jeder einzeln in der knappen Tracht berückend,

O wie seid ihr, Bicyclisten, dann in Masse erst entzückend!

Wie die wilden Schwäne ziehen rauschend hin in freiem Fluge,

Also zieht hinter einander ihr dahin in stolzem Zuge.

Majestätisch desilirend tretet ihr im Tact vorüber,

Jeder beugt mit sanfter Grazie sich ein wenig vorne über.

Straff auf euren strammen Muskeln spannt vor Kraft sich jeder Faden;
Was sür Anne! Was sür Nasen! Was sür Schenkel! WoS für Wade»!

Tausend schöne Augen folgen sehnsuchtschmachtend euren Spuren,
Wenn in mäß'gem Tempo ihr dahinrollt bis nach Spandaus Fluren.
Tausend Pulse schlagen höher, tausend Herzen tragen Wunden,

Wenn in Wolken Staubes eures Zuges Hinterster verschwunden.

5. Karambolage.

Halt an den schäumenden Rappen,

Du Balles milchspendender Mann!

Es rennt unaushaltsamen Schwunges
Ein grimmiges Dreirad dich an.

Dumpf knattert es, kracht es und planscht es,
Eh kühn du zur Seite geschwenkt,

Die Buttermilch, Vollmilch und Sahne
Wird jäh durch einander gemengt.

Zerstückt liegt das Dreirad am Boden,

Die Butter ward käsig vor Schreck;

Ich frage noch einmal energisch:

Was hat wohl das Dreirad für'» Zweck?

«. Elegie.

Von den Zweigen tropft der Nebel nieder,

Wie in bangem, unverstandnem Weh
Heult der Westwind seine Klagelieder,
Unabsehbar dehnt sich die Chaussee.

Und sein Stahlroß matt am Zügel führend,
Matten Augs, den Busen hoffnungsleer,

Zieht zu Fuß — der Anblick ist zu rührend —
Langsam ein Velocipeter her.

Als beim Rennen er gewalt'gen Sprunges
Uebern Graben mit Halloh gesetzt,

Stürzte sein noch ungeübtes, junges
Zweirad, ach, und hat sich schwer verletzt.
Mühsam schleppt es die gebrochnen Glieder
Bor sich her mit schnarrendem Getös,

Seine Stahlradspeichen hängen nieder.

Auch der Reiter hinkt und ist nervös.

Und der lange Weg, den prahlend beide
Raschen Fluges schnell dkchingesegt,

Wird von ihnen nun in herbem Leide
Langsam, Schritt vor Schritt, zurück gelegt.
Still betrübt blickt jeder auf den andern,

Ach, kein Eilen mehr, kein Treiben frommt!
Weh, wie lange muß der Reiter wandern,

Bis er endlich an ein Wirthshaus kommt

7. Aokizeiveröol und Zuliunftshoffnurrg.

Nanu! — Warum erging denn — Schockbombenschwerenoth! —
Schon wieder — wie verwerflich — das Polizeiverbot?

Weil wir einmal im Dunkeln das Licht nicht angesteckt?

Weil wir zwei alte Damen unwissentlich erschreckt?

Weil wir 'nen Droschkenkutscher geneckt nüt munterm Hops
Und tödlich überfahren 'nen lebensmüden Mops?

Weil wir 'nen alten dicken Commerzienrath geutzt
Und einem Herrn Kanzleirath das Hosenbein beschmutzt?

Darum will man uns sperren so Pflaster als Asphalt?

Nun gut! Wir müssens leiden und weichen der Gewalt.

Doch wird der Geist des Fortschritts nicht dauernd lahm gelegt,
Drum baun wir auf die Zukunft und hoffen unentwegt.

Ich seh' in lichtem Ahnen im schönsten Zukunstsland
Von schlaffen Drahtseilbahnen die Straßen überspannt.

Und aus den schlaffen Drähten, voll Würde und Vernunft,

Da rollen und da treten die Meister unsrer Zunft;

Da rutschen und da fahren im zarten Alter schon
Von zwei bis sieben Jahren die Jüngsten der Natton.

Nicht stört uns Droschkensuhrwerk, nicht Pferdebahn uns mehr,
Das Zweirad wie ein Uhrwerk, es regelt den Verkehr.

Nicht braucht man mit dem Lasso das Lama mehr zu sahn,
Längst aus den Chimborasso führt eine schmale Zweiradbahn.
 
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