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Kladderadatsch: Humoristisch-satirisches Wochenblatt — 47.1894

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Hefte 22-25, Juni 1894
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https://doi.org/10.11588/diglit.2275#0248
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(s- berliner Morgcn-Zeittmg" vom 10. Juni) an:
„Der Herbstwind peitschte durch die Straßen
Berlins, schnellschrcitende Menschen kämpften gegen
ihn an, hier flog ein Männerhut fort, dort zerrte
eine Frauenhand ein Tuch, das er. gelüftet,
wieder zusammen, dem schreienden, barhäuptigen
Jungen nahni er die Laute von den Lippen, daß
pc ungehört verklangen, blaffe Wangen färbte er
mit flüchtigem Roth, kranken Lungen preßte
er rasselnde Töne aus." - F. L.: Mit Dank
abgelehnt. — II.: Im „Teltower Kreisblatt"
(Nr. 103) befindet sich folgende Anzeige: „Ein
gesegnetes Mädchen für Kinder gesucht. Lichter-
selde, Potsd. Bahn, Stcinäckerstraße 15." Es
scheinen gewiegte Jungen zu sein.

Breslau. N. N.: Im „Wochenblatt für
schniiedeberg" wird Spiritus, auf Roßkastanien-
blüthcn gegossen, al« „ein vorzügliches Mittel
zur Einreibung von rheumatische Beschwerde"
(buchstäblich so) empfohlen. — M. A.: Leider
nicht zu verwenden. — K.: Zu grausam.

Charlottenburg. A. St.: Die Thüringer
Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in
Erfurt dauert bis zum 1. Octobcr. Am 16. Juni
beginnt, wie uns mttgetheilt wird, in der Gartcn-
bauhalle auf vier Tage die große internationale
vundeschau des Verbandes kynologischer
Vereine. Daran schließt sich die große Gemälde-
AuSstellung des Verbandes der Kiinslvcrcinc
westlich der Elbe. Im September beginnt die
Gemüse- und Obst-AuKstellung.

Crefeld. O. W.: DnrchAnzeige im„Gcncral-
Anzciger für Crefeld und Umgegend" (Nr. 131)
„wird ein alter gnterhaltencr Amateur-Photograph
.zu kaufen gesucht." Gibt cS bei uns kein Anti-
sclavcrei-Comitö? — Treuer Freund: Die
„Crcselder Zeitung" (Nr. 288, bringt folgende
Notiz: „Sophia, 0. Juni. Die Bischöfe des
Landes brachten ihre Glückwünsche zur Ver-
mählung und Geburt de« Thronfolgers dar."
Soviel wir wissen- ist der Thronfolger noch un-
vermählt. Ucbrigens pflegt nian sonst zuerst
geboren zu werden, dann erst sich zu vermahlen.

Elberfeld. H.: Die „Elbersclder Zeitung"
vom 8. Juni druckt einen grausamen Prolog ab,
de» W. Schäfer „zur Gottfried August
Bürger Feier" gedichtet hat. Die erste Strophe
die,es Poems lautet:

Qriirc&Ki Nack-Md oo.t Cm bunBen Schrein
Hub Lbergietzi bol bumpfe Gterbejimmer
«efcenfterbaft mit fahlem D-mmerfch-in,

Nmflalicrt scheu b°» fchlichle weiße Lager,

Umhuscht bar Antlitz fahl unb büsterrat
»Nb au, bem Antlitz, labe-blaß unb hager,

Trgrinsci kalt unb graß der bleiche Tab-

Armer Bürger! Auch nach deinem Tode
quälen sie dich noch.

Cmden. X. H.: In der„Ostfriesischen Zeitung"
vom 8. Juni macht Henerika Bruns bekannt:
„Die ausgehoben gewesene Verlobung mit Rudolf
Hilmer ist memer Seite wieder angenommen."
Was sagt Rudolf dazu?

Cpcranza de Santa-F6. A. H.: Im
„Argentinischen Boten" vom 12. Mai begrüßt
F. M. den deutsche» Verein zu seinem Stiftungs-
fest mit einem schönen Carmen, dem wir folgende
Strophen entnehmen:

-Nicht wit saust nach allcr Weist.

F'.nb' ich mich tut srahen Stunde

In ber rö rüber beileren Sitift.

Wie am deutschen Lieberschwall
3» den lichten.Höben bringen.
Nach versenken In da« All. -


Körperlich ein Jammerbild.»

Mit Freude erfahren wir, daß auch bei unsern
Landsleuten in Argentinien die Dichtkunst blüht.

Falken stcia. Circus: Die „Pfälzische
Preise" vonr S. Juni begrüßt den Prinzrcgenten
von Bayern mit Worten: „Du darfst dich unter
-unsbaheimcrfühlenalS irgendwo." „Daheimer"
ist sehr gut.

Gießen. A. F.- In einer Gerichtsver-
handlung, die am 6. Juni zil Gießen stattfand,
hat nach der „Gicßener Zeitung" der Vertreter
der Anklagcbehörde geäußert, „wenn man bedenke,
mit welcher Gleichgiltigkeit Meineide geleistet und
Meineide ausgehcckt werden, so niuß man sich
beunruhigend fragen, wo führt das hin und was
für ein Ende soll das nehme». DaS ganze
Rechlsbewußtfein leidet darunter und macht das
letztere fast illusorisch." Wir glanben nicht, daß
der Staatsanwalt sich so wenig corrcct aus-
gedrückt hat._

Hannover. R.: Mit Dank abgelchnt.

Kiel. W. H.: In. Sachen des- Anschar-
KrankenhauseS ist dein „Kieler Tageblatt" vom
9. Juni ein Schreiben zugcgangen, das folgenden
Satz enthält: ,Lndcß lehrte doch die Erfahrung,
daß das gänzliche Fehlen und Zurücktreten der
gebildeten Elemente, die in ein Lohn- und
Engagcmcnlsverhältniß nicht eiiitratcn, wohl in
den Dienst freiwilliger christlicher Licbcsarbcit zu
stellen, doch nicht auf die Dauer zu tragen sei."
Wie niag daö zu verstehen sein?

Köln. W. S.: Von den Büchern, welche
durch Hausircr ans dem Lande verbreitet werden,
sagt das nllramontane „Bocholter Volksblatt"
vom 7. Juni: „Da kommen denn zum Vorscheine:
der Pfassenspicgcl, die Bibel, Papst Alexander VI.
und wie die verlogenen Schund- und Schand-
brochürcn alle heißen mögen." Es wirft ein
eigenthümliche« Licht auf das schwarze Blättchen,
daß es die Bibel mit zu der schlechiesien Literatur

Langensalza. F. B.: Mit Dank.abgelehnt.

Leipzig. Or. C. T.; Im „Wochenblatt für
Klingentdal" (Nr. 66) lesen wir: „Wenn er in
unserer Zeit lebte, der gute Rabbi Alibo, er
würde seinen berühmten Ausspruch „Alles schon
dagewescn", gewiß nicht gethan haben. Uns
bringt jeder Tag ctwaS noch nicht Dagewesenes;
die letzte Woche war reich an Emationcn." Was
sind „Emationcn", und wie kommt der Rabbi
Alibo (soll wohl Alibi heißen) zu dem Spruch,
der dem Rabbi Ben Akiba gehört? — A. B.:
Sehr schön wird im „Leipziger Tageblatt" vom
7. Juni in einem Artikel über die elektrotechnische
Ausstellung gesagt: „Noch vor mehreren Jahr-
zehnten war der Sinn für die praktische Bedeutung
wissenschaftlicher Entdeckungen in nnserm Vater-
lande wenig entwickelt. In den stillen Cabineiten
derPhysikcrruhIcdieTclegraphie.einschlummcrndcs
Dornröschen, das erst dcrpraktischeSinn Englands
zum Augenausschlag veranlaßt-." '

LIndeiiberg i. Bayern. Th. H.: Das
„Anzeige-Blatt für das westliche Algäu" (Nr. 63)
schreibt: „In Meersburg kostet jetzt 1896 Meers-
burger Elbing (weiß) 22 und 34 Pf. per Liter."
Es ist doch eine etwas kühne Speeulation, jetzt
schon den 1896er zu-. verkaufen, und noch dazu

Mühlhausen i. Th.: „Der socialdcmo-
kratische Redaetcur Hülle von der „Thüringer
Tribüne" — so schreibt der „Müh,Häuser An-
zeiger" vom 8. Juni — „der z. Z. eine Strafe
im hiesigen Gcsängniß zu verbüßen hat, hatte von
der Strafkammer in Meiningen wegen Anstiftung
zur Majcstätsbeleidiaung zwei Tage Urlaub er-
halten." Das ist nicht in der Ordnung.

München. C. W.: Die „Münchener Neuesten
Nachrichten" ('Nr. 255) enthalten folgende Anzeige:
„Aeltere Danicnschneidcrin niit guter Kundschaft
zu verkaufen." Ob sich ein Käufer finden wird?

Nidda. F.: Im „Niddaer Anzcigeblatt" vom
6. Juni niacht Jckkob Schmitt in Hungen be-
kannt, daß er ein „Grabstcingeschäft" errichtet habe,
und empfiehlt „alle in dieses Fach schlagenden
Artikel, als Waschtische. Nachttische u. s. w." DaS
mUdcrt die Sache wesentlich.

Passau. B.: In der „Donau-Zeitung" vom
9. Juni widmet I. A. R ötzer in Wegscheid dem
Centrum folgendes köstliche Sonett:

»vor Monbrn war'.
Mein Litk mnürnh

uuu Lust, vaß Lorbrrrkranj!


u. für Den Jnf-T-til: L.

Du» maßt Werk, flihnvahr. Dir ist'» gtluug
Im Schlochttnbrang, wo Du beim Schwuui
Dir Rtb' um Siebe fchluuu. gtdtuk btt glitni
Dtm Stinb gefteeft, bt» Siegt» Zitl etrunger
Ltil Dir! Da» Volk hebt an. in Danktilönt!
Dtr Kämptnfchar bt» Rühmt» Hoch zu st

Aiit glüub'gtr Sinn bit Thront macht vtrichöntn
Hub Freiheit, Rtcht zum tw'gtn Frühling trugen!»

Eine Partei, die solche Barden hat, kann nicht
nntcrgehen.

Potsdam. R.: Von „BrockhanS Kon-
veriations-Lexikon" (14. Auflage) ist in
prächtiger Ansstattung der 10.' Band (K. —
Lebensversicherung) erschienen. Derselbe enthält
-^I», daninter 12 Chromotaseln, 19 Karten
und Plane, anßcrdcm 292 Textabbildungen. —
«einer sind uns vom Büchermarkt folgende Neu-
heiten zugegangcn:,, Die Herzogin von Athen.
Schauspiel in sun, Aufzügen von Cleon
Rangabö. Deutsch von Adolf Ellissen."
Leipzig, Verlag von Philipp Reclam tun. _
Vogtland. Monatsschrift für LandS-

lentc in der Heimat und Fremde, hcrausgegeben
von Gottfried Doehler." Leipzig. Dnick
und Verlag der R o ßb e r g'schen Hof-Bnchhandlun-
2. Heft. — „Natur und Haus. Jlliistcirte
Zeitschrift für alle Liebhabereien im IHcäe '
der 'Natur. HerauSgegeben von I)r. Ludwig
Staby und Max Hesdörfer." Verlag von
Robert Oppenheim (Gustav Schmidt,
Berlin. 2. Jahrgang, Heft 14-16. — „Bi-
schreibung der Nordsee-Bäder Sylt, Wester-
land und Wenningstedt. Heran»«, von der
Seebadc-Direction." Westerland. Druck von
Fr. Roßberg.

O.uakciibrlick. R. F.: Einen wunderschönen '
l-tt-i... tu Festzeitung" z: " " '

Er lautet:

„Selb gegrüßt ihr Railltrschortu,
Saustub kommt Ihr angefobreu
Hoch lu^St^B^o'i^ blaiittm^Staftl

Cuaftubtüd in muffen
■“ »Mn^Gasstn,

Wo bit Korsofuhit ...

esaarsf-

Wo btr Sieger, schlank von Tulllt,

Sich erringt bit Sportsmeboillt
Unb im Schweiß bo» Antlitz glüht:

Dann btr Bunnenveihe fröhiitii.

Da» gewebt von taufend Schontu»

O.iiedlinburg. O. S.: In der „Quedlin-
burgcr Zeitung" vom 7. Juni wirb bemerkt,
„daß Fürst Bismarck bekanntlich ein eugagirter
Pseisenrancher bis auf den heutigen Tag ge-
blieben ist." Die bösen Fremdwöner!

Rostock. B.: Im „Rostockcr Anzeiger" vom -
9. Juni wird von F. Nicolai in Doberan „eine
brauchbare saubere frisch iiiilchende Amme"
gesucht. In demselben Blatt sucht F. Örtmann
in Goldbcrg „größere Pöstc Kartoffeln."

Rotterdam. H. S.: Die „VicrscnerZcimiig"
vom 10. Juni schreibt: „In Ungarn hat sich die
Ministcrkrisis im Kreise herniugedrcht." Das
muß komisch ausgesehen haben.

Schleswig. A. N.: Im „Sonnnerfelder
Wochenblatt" <Nr. 62) finden wir folgende im
reinsten Sächsisch abgefaßte Erklärung: „Achtung!
der Bauer Gustav Schulz in Brinsdors und
desgleichen Gustav Pohle in Brinsdors, und
das Fräulein Anna Borte in Jessen-die drei
gönnen sich nur um sich begimcrn und nicht um
anderen LculenS Jugend Redens arden ausdragm
vo die Haggc noch gar geincn Stühl hat ich
würde mir selber einen rein »lachen. Es grüßt
Mags L."

Stuttgart, vr. Bacillus: Als drillen
Reim auf Spargel senden sie uns Olmützer
Quargel, einen pikanten Käse, ein. Hurrah!
Vor acht Tagen hatten wir Reime genug'für die
Terzine, jetzt langen sie schon zum Sonett.

Tübingen. I. W.: In Würzburg „besuchte
der Regent von Bayern", wie die „Tübinger
Chronik" vom 16. Juni mitthcilt, „das mit einer
Trachtenschan verbundene Volksfest, wo an
20Personen ihm zujubclten." Das Volksfest scheim
nicht sehr stark besucht gewesen zu sein, oder die
Begeisterung der Besucher war nicht sehr groß.

Wiesbaden. S.: In Georg Höckers
Roman „Schuldig?" (s. „Wiesbadener Anzeige- I
Blatt", Rc 127) heißt es: „Das Rücken des
Stuhles beim 'Aufstehen durchschauerte ihn (den
Doctor) und sein eigener teppichgedämpsicr Schritt
durchdröhntc ihm das Herz." Daraus „entzündeic
er den GaSarm, welcher über seinem Schreibtische
hing" und dachte daran, „daß das Opium, dieser
Schlafttunk der östlichen Völkerschaften ihm vor
allem die Ruhe wiedergeben könnte."

Wöllstein. G.'J. S.: Im „Kreisblatt des
Bomster KreiseS" vom 9. Juni zeigt Schneider-
meister W. Przymuszala die Verlegung seines
Geschäfts an und fügt hinzu: „Gleichzeitig bitte
ich, mir für ferner das Vcrttailcn zu schenken.
Ich werde stets bemüht sein, mir die Zufriedenheit
zu erholten." Recht so, Przymuszala! — In
demselben Blatt niacht Theodor Linke,
Harmonikaspieler aus Grätz bekannt: „Da ich
augenblicklich mit meiner.Frau Anna Linke,
geb. Miran aus llnrnhstadt in Unsriedcn lebe,
so bitte ich, meiner Frau, auf mciuen Namen
etwas zu borgen, da ich hier für nichts anfkomme."
Ist das redlich gehandelt, Linke?

Zwickau. E.: Im „Zwickaucr Tageblatt"
vom 10. Juni empfiehlt Curt Blumers Bäckerei
etwas pleonastisch „verschiedenen diversen Kuchen."

— Im „Tageskalcnder" der ,;Zwickaucr Ncnesteu
Nachrichten" vom 10. Juni lesen wir: „Mondaiis-
gang 14 Uhr 39 Minuten N." Hoffentlich hat
niemand darauf gewartet. ' •

2eipjlgerftr. 1351. — Druck non Sjempel & 5 0. — Sümmllich In Bert irr.
 
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