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Kladderadatsch: Humoristisch-satirisches Wochenblatt — 49.1896

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Hefte 1-4, Januar 1896
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https://doi.org/10.11588/diglit.2277#0039
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Schultze. Wat wird Stöcker machen? Wird er sich nu jänzlich vons
„Volk" zurückziehen?

Müller. Na, jcwiß doch! Er wird erklären: das „Volk" wird von
mir nicht mehr jehalten.

Schultze. Und det kann der klecne Schäker ooch janz rnhig erklären,
denn er kriegt ja 'n Freiexemplar.

Müller. So is et. _

Schultze. Wird Boris nanu jesalbt werden?

Müller. Wer weeß? Die eenen sagen, der Exarch kommt bestimmt,
die andern jlooben, deß die Verwandten die Salbung nich zulassen werden.

Schnitze. Armer Ferdinand! Ob Boris jcsalbt wird oder nich,
jedenfalls hat sein Vater sein Fett weg!

lieber das berühmte fliegende Geschwader bringen die Blätter fort-
während Nachrichten, die sich widersprechen. Fast jeden Tag wird gemeldet,
es sei nach seinem unbekannten Bestimmungsort aufgebrochcn; gleich hinterher
kommt daun die Berichtigung, dast es noch ruhig ans der Rhede von
Spithead liege.

Wenn daS Geschwader wirklich versiegelte Depeschen mitbekommt, was
sich ja immer sehr gut macht, so würde sich als Ort der Eröffnung die
Mitte des atlantischen Occans empfehlen. Die Aufträge würden am besten
lauten: „Nach Durchsicht dieses haben Sic die Schiffe über die Toppen
flaggen und die Mannschaften aufentern zu lassen. Dann bringe» Sie ein
Hoch auf das seebchcrrschende England aus, lasten so lange scharf Salut
schießen, wie die Munition reicht, und führen dann das Geschwader unter
Volldampf zum Zweck der Abtakelnng nach dem Ausgangshafen zurück."

Besondere Kennzeichen des „sogenannten" Konservativen.

Die Haltung des „Sogenannten" ist stolz: er schreitet einher wie ein
Storch oder ein Reiher. Er hat einen großen Mund, die Spitzen des
Schnurrbarts sind nach oben gedreht, die Nase erinnert an den Schnabel
des Raubvogels. Während der Fromme das Auge niederschlägt und nur
zuweilen einen Blick znm Himmel hinauf thut, schaut der „Sogenannte"
auf die Welt herab wie der selige Zeus, wenn er aus dem Schlafe er-
wachte. Seine Stirn verräth seine Intelligenz nicht. Das Haupthaar ist
meist dünn, aber gescheitelt bis zum Rückenwirbel; oft fehlt es ganz. Der
„Sogenannte" nennt sich „von" und „auf" und spricht viel von seinen
Gütern, von denen ihm aber selten viel gehört. Er läßt sich gern „Herr
Rittmeister" nennen, auch wenn er schon das Alter eines Generals hat.
Roch sympathischer ist ihm der Titel „Herr Oberst": bis zu diesem ist er
aber nur höchst selten cmporgcsticgcn. Er unterhält sich am liebsten über
Pferde und Hunde »nd verehrt nicht blos seine, sondern auch meine und
deine Tante. Das Wort „Margarine" kann ihn wüthend machen. Selbst
in der Roth ißt er lieber Austern als Fliegen. Er hat unbewußt social-
dcmokratische Neigungen. Den Bauer hält er für ein Spielzeug.

I

Der Rechtsanwalt Eschenbach hat im September dem Herrn Ober-
staatsanwalt Drescher gegenüber geäußert, er sei der Ansicht, „daß der
Frhr. v. Hammerstein nicht nur schon vcrnrtheilt, sondern bereits ge-
richtet sei, und daß gegen diese so außerordentlich bedeutungsvolle Haupt-
sache die rein äußerliche juridische Verurtheilung gleichsam nur Nebensache
sei und kaum in das Gewicht falle."

Juristen wird cs intercssircn, daß die Auffassung des Herrn Eschen-
bach auch von schlichten Leuten ans dem Volke gcthcilt wird, die eine
reiche Erfahrung in Strafsachen habe». So äußerte der dreifache Raub- >
Mörder M., der in der vorigen Woche hingerichtet wurde, während I
seiner Henkersmahlzeit gegen den Gesängnißausseher: „Ich verstehe gar I
nicht, weshalb das Gericht sich so viel Arbeit mit mir macht. Die öffent- ■
lichc Meinung hat mich doch schon längst gerichtet und vcrurtheilt, und
gegen diese so außerordentlich bedeutungsvolle Hauptsache ist die rein
äußerliche juridische Verurtheilung und Hinrichtung gleichsam nur Neben-
sache und fällt kaum in das Gewicht."

Was mit den X-Strahlen zu machen ist.

«>ie die Entdeckung des Professors Röntgen sich praktisch wird ver-
Cfer wertsten lassen, ist noch gar nicht abzuschcn. Wir möchten aber doch in
Bezug darauf schon einige Andeutungen machen, die vielleicht von Nutzen sind.

Wir geben die Photographie
_ eines Straußenmagens, die auf
Z Grund des Nöntgen'schen Bcr-
8 sahrens hergestcllt ist. Von dem
8 Magen selbst sehen wir nur

_I schwache Umrisse, dagegen ist der

jjSggi Inhalt des Magens, bestehend in
j=jjjgg einerSardinenbüchse.cinemTaschcn-
Messer, einem Korkenzieher, einer
•pH Schecre und einem Hausschlüssel,
klar wicdcrgcgcbcn.
• ist von großer Wichtigkeit, denn
. gehören diese Gegenstände,
8 die der Strauß gedankenlos vcr-
r schluckt hat? Offenbar Afrika-
rcisenden, die sie irgendwo haben liegen lassen. Solche Reisende pflegen
daher, wenn sic etwas verloren haben — und wäre es ein Zehnpfenniger
— jeden Strauß, dem sic begegnen, unnachsichtlich zu tobten, um »
zuschen, was er im Magen hat. Die Folge davon ist, daß mit den Straußen
stark aufgeräumt wird, in der Weise, daß dieser nützliche Eicrlcgcr und
Fedcrlicferant wohl bald gänzlich von der Bildslächc verschwinden dürfte.

Das wird künftig anders sein. Miau braucht keinen Strauß mehr
wegen eines Korkziehers, dessen man bcnöthigt ist, zu tödten. Man photo-
graphirt ihn einfach bei lebendigem Leibe »ach Röntgen, gibt ihm, w
man in seinem Magen den verlorenen Gegenstand erblickt, ein sanftes
Emeticuni ein und verhilft sich auf diese Weise wieder zu seinem Eigenthum.

. Die reizendsten Genrebilder lasten sich mit Hilfe der Nöntgen'schen
Entdeckung Herstellen. Man sehe sich diese zwei Spieler an! Sie sind voll-
kommen ähnlich und doch nicht zu erkennen. Von der ganzen Partie ist
nichts zu sehen als ihre Gerippe und das vor ihnen auf dem Tische
liegende Geld. Hätte aber einer von ihnen ei» 10- oder 20-Markslück
hinuniergefchluckt, um sich unrechtmäßiger Weise desselben zu bemächtigen, so

das durch die Photographie ans
und der Besuch des Clubs würde
chm für mehrere Wochen untersagt werden.
Man denke sich die ganze Spielbank
Monte Carlo aus diese Weise photo-
Könnte sich Fürst Albert
Monaco, genannt der Gaudieb,
reizendere Wandzierde für seinSchlaf-
wünschcn?

Jllustre Persönlichkeiten werden sich
großem Vortheil ä la Röntgen
lassen. Wir geben als
! die Brustbild-Photographie eines
Das Herz, das
ohne Werth ist, fällt dabei fort,
erscheinen auf dem Knochengerüst
ganz deutlich und genau
erkennen die sämmtlichen Orden, lind
daraus kommt eS ja an.

Hierzu zwei Beilagen.

bitten die Beiblätter zu beachten.
 
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